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Dirty Talk
--> Staatsverunglimpfung. Der Staat kann nicht beleidigen. Hierfür
fehlen ihm die strafrechtsdogmatisch geforderten Tätereigenschaften. Dass
aber in seinem Namen sehr wohl Verunglimpfungen ausgesprochen werden,
dürfte jedem klar geworden sein, dem durch eine großflächige Anzeige mit
den Worten "Du bist Deutschland!" in ehrverletzender Weise unterstellt
wurde, sich gemein zu machen mit einer rassistischen Migrationspolitik,
mit sozialer Ausgrenzung, mit Angriffskriegen oder gar mit den monströsen
Verbrechen jener Zeit, als der einfältige Satz "Du bist Deutschland!"
noch allein dem Führer galt.
Der Staat selbst kann indes beleidigt werden. So macht sich nach § 90a
Strafgesetzbuch (StGB) strafbar, wer "öffentlich die Bundesrepublik Deutschland
beschimpft oder böswillig verächtlich macht". Seinen Ursprung hat der
Straftatbestand der Staatsverunglimpfung als sogenanntes Republikschutzgesetz,
mit dem gegen die Herabwürdigung der republikanischen Staatsform durch
die reaktionären Kräfte in der Weimarer Republik vorgegangen werden sollte.
Doch nicht die rechtsextremen Tiraden der Kaisertreuen und Nationalsozialisten
wurden von der damaligen Justiz vornehmlich verfolgt, sondern linke und
liberale AutorInnen. Bis heute hat sich das kaum gerändert. § 90a StGB,
der seine jetzige Fassung im Rahmen der Notstandsgesetzgebung von 1968
erhielt, wird immer wieder genutzt, um die politische Kritik oder Polemik
linker Menschen und Medien zu kriminalisieren und das Grundrecht auf Meinungs-
und Redefreiheit einzuschränken. Das jedoch ist mit dem entsprechenden
Artikel 5 im Grundgesetz (GG) kaum zu vereinbaren. Nach Art. 5 II GG findet
das Recht auf freie Meinungsäußerung seine Schranken nur in dem Recht
der persönlichen Ehre oder in den allgemeinen Gesetzen. Das Ansehen des
Staates ist aber weder eine persönliche Ehre, noch kann die Strafvorschrift
als allgemeines Gesetz gelten, weil es sich als Sondergesetz zum Schutz
der staatlichen Ehre gerade auf bestimmte staatskritische Meinungsäußerungen
bezieht.
Betroffene des vielfach schlicht als verfassungswidrig eingestuften Strafgesetzes
wurde nun zuletzt eine Antifaschistin, die im Mai 2005 an einer Demonstration
gegen das "Pfingsttreffen der Gebirgsjäger" im bayerischen Mittenwald
teilnahm. Jene Truppe beteiligte sich europaweit mit unzähligen Schreckenstaten
an der letzten großen Deutschlandkampagne in den Jahren 1939 bis 1945
und feiert das Ereignis noch heute anstandslos. Als die Demonstrantin
nach einer brutalen Polizeiattacke empört ausrief "BRD - Bullenstaat -
wir haben dich zum Kotzen satt!" wurde sie festgenommen. Für die spontane
Unmutsäußerung, die andernorts kaum mehr als ein müdes Lächeln provoziert,
wurde sie vom Amtsgericht Garmisch-Patenkirchen nach § 90a StGB zu einer
Geldstrafe von 800 Euro verurteilt.
Den Gebirgsjägern wurde übrigens nie der Prozess für die Massaker u.a.
auf der griechischen Insel Kephallonia oder dem Dorf Kommeno gemacht.
Diese Justiz, das ist Deutschland. (str)
Kreuzritter
--> Demosanis. "Um sich das Vertrauen aller zu bewähren, enthält
sich die Rotkreuzbewegung der Teilnahme an Feindseligkeiten wie auch,
zu jeder Zeit, an politischen, rassischen, religiösen oder ideologischen
Auseinandersetzungen", so lautet einer der Grundsätze des Roten Kreuzes.
Seine deutsche Sektion nimmt es mit dieser Neutralitätsverpflichtung offensichtlich
nicht als zu genau.
Oft genug mussten in der Vergangenheit verletzte DemonstrantInnen, die
die Hilfe der RotkreuzhelferInnen in Anspruch nahmen, feststellen, dass
ihre Personalien umgehend an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben
worden waren. Und weil die offiziellen Rettungsorganisationen zudem häufig
nicht auf Verletzungen, wie man sie auf Demonstrationen etwa durch Tränengas,
Schlagstöcke, Fesseln und Hundebisse erleiden kann, vorbereitet waren,
riefen linke SanitäterInnen in den 1980er Jahren eigene Rettungsgruppen
ins Leben. Die autonomen Demosanis adaptierten das international bekannte
rote Kreuz als Erkennungszeichen, modifiziert mit einem senkrecht erhobenen
Arm mit geballter Faust. Mit diesem Symbol machen sie nicht nur auch dem
letzten schlagwütigen Polizisten deutlich, dass sie medizinische Hilfe
leisten, sondern grenzen sich auch deutlich von offiziellem Sanitätspersonal
ab und sind in stressigen Situationen als "parteiliche" und damit vertrauenswürdige
HelferInnen zu erkennen.
Wegen angeblicher Verwechselungsgefahr untersagte das Landgericht Hamburg
auf Betreiben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) nun der Roten Hilfe (RH)
die weitere Verwendung des Symbols für ihre Sani-Broschüre "Ruhig Blut!".
Nach Angaben der Roten Hilfe war es dem DRK dabei möglich, einen völlig
überhöhten Streitwert ansetzen zu lassen, weil es die Gerichtskosten nicht
zu fürchten braucht. Denn seit ihrer bereitwilligen Einbindung in den
Wehrmachts- und Luftschutz-Sanitätsdienst des NS-Regimes, kann sich das
DRK von Gerichtskosten befreien lassen. (str)
(Näheres unter: www.rote-hilfe.de)
Schwaches Immunsystem
--> Immunität. Das Europäische Parlament hat auf Anregung der
rechten Lega Nord die Immunität des Abgeordneten der Linksfraktion Tobias
Pflüger aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft München I wirft ihm vor, während
einer Demonstration gegen die Nato-Sicherheitskonferenz Straftaten gegen
Polizeibeamte begangen zu haben. Tatsächlich, so Pflüger, habe er aber
lediglich um Auskunft über die Personalien eines festgenommenen Demonstranten
gebeten und sich dabei ihnen gegenüber als Europaabgeordneter ausgewiesen.
Die betreffende Staatsanwaltschaft hat sich offenbar auf den Friedensaktivisten
eingeschossen. Schon 1999, 2003 und 2004 hat sie wegen seiner Beteiligung
an Protesten gegen die Sicherheitskonferenz gegen ihn ermittelt und musste
jedes Mal klein beigeben: Die Verfahren wurden eingestellt oder endeten
mit Freispruch. Die Immunität soll die Abgeordnete gerade vor derartiger
Strafverfolgung in politischen Angelegenheiten schützen, so bemerkte Pflüger
richtig. (str)
(Infos unter: http://tobiaspflueger.twoday.net)
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