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Folgen einer rechtmäßigen Abschiebung   Heft 3/2006
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Kriminalpolitik
Seite 103
 
 

Im Mai dieses Jahres hat das niedersächsische Innenministerium das Auswärtige Amt und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gebeten, die Lageeinschätzung für den Kongo zu überprüfen. Verantwortlich für die Neugierde ist der Tod von Tshiana Nguya, die im August 2004 gemeinsam mit zwei ihrer Kinder im Alter von zehn und zwei Jahren in den Kongo abgeschoben wurde.
Tshiana Nguya war 1995 gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren zwei Kindern nach Deutschland geflohen. Sie hatte sich in einer Oppositionspartei engagiert und war deshalb politisch verfolgt worden. Im Asylverfahren konnte sie dies aber nicht glaubhaft machen, weshalb die Anträge der Familie abgelehnt wurden. In Hameln kam 2002 ihr drittes Kind zur Welt. Der erste Versuch, die Familie abzuschieben, scheiterte im Februar 2004, weil Tshiana Nguyas Ehemann auf dem Flughafen einen Atemstillstand erlitt. Aus Angst vor einer weiteren Abschiebung tauchte die Familie unter. Tshiana Nguya wurde erneut schwanger, fand aber keinen Arzt, der sie ohne Papiere behandeln wollte. Als sie sich deshalb an die Ausländerbehörde wandte, wurde sie dort festgenommen. Ihr Ehemann und das älteste Kind halten sich weiterhin verborgen.
Obwohl Tshiana Nguya in der 17. Woche schwanger war, attestierte die Justizvollzugsanstalt Hannover, dass gegen die Abschiebung keine medizinischen Bedenken bestünden. Im Kongo wurde sie nach Angaben des Niedersächsischen Flüchtlingsrates, der sich auf die Angaben eines dortigen Pfarrers beruft, von den deutschen Behörden an die kongolesische Einwanderungsbehörde übergeben. Da sie nicht genug Geld hatte, um sich freizukaufen, wurde sie inhaftiert, geschlagen, gequält und mehrfach vergewaltigt. Bei der Geburt ihres Kindes im Dezember 2004 sei die 33-Jährige an den Folgen der Misshandlungen gestorben. Auch der Säugling habe die Geburt nicht überlebt.
Das niedersächsische Innenministerium wollte von den zuständigen Bundesbehörden wissen, ob der Tod dem Verhalten der Behörden im Kongo zuzurechnen ist und deshalb das Bestehen eines Abschiebehindernisses nach dem Aufenthaltsgesetz für "ausreisepflichtige kongolesische Staatsangehörige" zu konstatieren sei. Da die Informationen des Flüchtlingsrates dem niedersächsischen Innenministerium zu Folge vor Ort aber nicht bestätigt werden konnten, hat Niedersachsen zunächst keinen Abschiebestopp verhängt. Auch der niedersächsische Landtag zeigt sich nicht gerade besorgt um das Schicksal ausreisepflichtiger kongolesischer Staatsangehöriger. Die Debatte über einen parlamentarischen Antrag der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, die sich für einen Abschiebestopp einsetzt, wurde vom Innenausschuss vertagt.

Philipp Rusche, Greifswald