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Im Mai dieses Jahres hat das niedersächsische Innenministerium das Auswärtige
Amt und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gebeten, die Lageeinschätzung
für den Kongo zu überprüfen. Verantwortlich für die Neugierde ist der
Tod von Tshiana Nguya, die im August 2004 gemeinsam mit zwei ihrer Kinder
im Alter von zehn und zwei Jahren in den Kongo abgeschoben wurde.
Tshiana Nguya war 1995 gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren zwei Kindern
nach Deutschland geflohen. Sie hatte sich in einer Oppositionspartei engagiert
und war deshalb politisch verfolgt worden. Im Asylverfahren konnte sie
dies aber nicht glaubhaft machen, weshalb die Anträge der Familie abgelehnt
wurden. In Hameln kam 2002 ihr drittes Kind zur Welt. Der erste Versuch,
die Familie abzuschieben, scheiterte im Februar 2004, weil Tshiana Nguyas
Ehemann auf dem Flughafen einen Atemstillstand erlitt. Aus Angst vor einer
weiteren Abschiebung tauchte die Familie unter. Tshiana Nguya wurde erneut
schwanger, fand aber keinen Arzt, der sie ohne Papiere behandeln wollte.
Als sie sich deshalb an die Ausländerbehörde wandte, wurde sie dort festgenommen.
Ihr Ehemann und das älteste Kind halten sich weiterhin verborgen.
Obwohl Tshiana Nguya in der 17. Woche schwanger war, attestierte die Justizvollzugsanstalt
Hannover, dass gegen die Abschiebung keine medizinischen Bedenken bestünden.
Im Kongo wurde sie nach Angaben des Niedersächsischen Flüchtlingsrates,
der sich auf die Angaben eines dortigen Pfarrers beruft, von den deutschen
Behörden an die kongolesische Einwanderungsbehörde übergeben. Da sie nicht
genug Geld hatte, um sich freizukaufen, wurde sie inhaftiert, geschlagen,
gequält und mehrfach vergewaltigt. Bei der Geburt ihres Kindes im Dezember
2004 sei die 33-Jährige an den Folgen der Misshandlungen gestorben. Auch
der Säugling habe die Geburt nicht überlebt.
Das niedersächsische Innenministerium wollte von den zuständigen Bundesbehörden
wissen, ob der Tod dem Verhalten der Behörden im Kongo zuzurechnen ist
und deshalb das Bestehen eines Abschiebehindernisses nach dem Aufenthaltsgesetz
für "ausreisepflichtige kongolesische Staatsangehörige" zu konstatieren
sei. Da die Informationen des Flüchtlingsrates dem niedersächsischen Innenministerium
zu Folge vor Ort aber nicht bestätigt werden konnten, hat Niedersachsen
zunächst keinen Abschiebestopp verhängt. Auch der niedersächsische Landtag
zeigt sich nicht gerade besorgt um das Schicksal ausreisepflichtiger kongolesischer
Staatsangehöriger. Die Debatte über einen parlamentarischen Antrag der
Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, die sich für einen Abschiebestopp
einsetzt, wurde vom Innenausschuss vertagt.
Philipp Rusche, Greifswald
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