| Marcus Lippe |  
       
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| Recht global | Sonderausgabe Wozu Jura studieren? 2002/2003 Seite 12-13  | 
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| Warum braucht die Globalisierung auch kritische JuristInnen ? | |||||
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       Seit Seattle im November 1999 vergeht kaum ein größeres Treffen von G-8, Welthandelsorganisation (WTO), Weltbank , Internationaler Währungsfond (IWF) oder der Europäischen Union (EU), bei denen es nicht globalisierungskritische Proteste gibt. Diese richten sich gegen die Art und Weise, wie die ökonomische Globalisierung vorangetrieben wird. Entgegen dem häufig in der Presse verbreiteten Bild will ein Großteil der Protestierenden den protektionistischen Nationalstaat nicht wieder haben. Die Forderungen der Protestierenden reichen von radikalen Zielen wie der Abschaffung des Kapitalismus bis zur einfachen Auforderung, der 3. Welt die Schulden zu erlassen. Ein zentraler Begriff der Auseinandersetzung ist dabei der Neoliberalismus. Anspruch und Wirklichkeit Der Neoliberalismus ist ursprünglich ein wirtschaftspolitisches Konzept, 
        welches die "freien Kräfte des Marktes" predigt und jegliches Eingreifen 
        des Staates ablehnt. Es löste mit der Wahl von Ronald Reagan und Margaret 
        Thatcher den Ende der 70er Jahre gescheiterten Keynesianismus ab, mit 
        dem bis dahin versucht wurde, durch Staatsintervention die kapitalistischen 
        Krisenmechanismen zu dämpfen und so harmonisches Wirtschaftswachstum zu 
        gewährleisten. Allerdings hat der Neoliberalismus sein Paradigma des freien 
        Welthandels nie erfüllt. Die reichen Nationalstaaten des Nordens schotten 
        insbesondere ihre Agrarmärkte immer noch gegen die Länder des Südens ab. 
        Schlimmer noch, sie zwingen mit Hilfe von IWF und Weltbank die Entwicklungsländer, 
        ihre Märkte zu öffnen, damit die reichen Industrieländer ihre subventionierten 
        Agrarprodukte absetzen können. Damit zerstört diese Politik der Intervention 
        seitens der reichen Industriestaaten die Wirtschaft des betroffenen Staates 
        und treibt es in die totale Abhängigkeit der Industriestaaten vermittelt 
        durch Weltbank und IWF. Die Institutionen der Globalisierung Zum einen ist dabei an IWF und Weltbank zu denken. Diese beiden Institutionen 
        wurden bereits im Juli 1944 in Bretton Wood unter Federführung der Vereinigten 
        Staaten gegründet und hatten ursprünglich die Aufgabe, als eine Art Ambulanz 
        für in Not geratene Volkswirtschaften zu dienen. Im Bewusstsein, dass 
        es zur Wahrung wirtschaftlicher Stabilität gemeinsamer Aktionen bedürfe, 
        wollte man ein Regulativ gegen Rezessionen schaffen, eine unabhängige 
        Krisenpräventionsfabrik. Dafür wurde ein System fester Wechselkurse eingerichtet, 
        d. h. zwischen den Landeswährungen bestanden feste Umtauschkurse, die 
        nicht durch Angebot und Nachfrage auf den Finanzmärkten bestimmt wurden, 
        sondern durch eine Vereinbarung mit dem IWF. Anfang der 70er Jahre brach 
        dieses System aufgrund der Ölkrise und des Handelsdefizits der USA wegen 
        des Vietnamkrieges zusammen.1 Mit dem 
        aufkommenden Neoliberalismus wird der IWF seit Anfang der 80er Jahre zur 
        Durchsetzung dieser ideologischen Wirtschaftspolitik benutzt. Dabei soll 
        der IWF immer noch der Währungsstabilität dienen. Dafür vergibt er kurzfristige 
        Kredite an Länder, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Allerdings 
        knüpft der IWF die Vergabe dieser Kredite an Auflagen. Unter anderem wird 
        der Abbau von Sozialleistungen zur Reduzierung des Haushaltsdefizits des 
        jeweiligen Landes gefordert oder die Deregulierung und Liberalisierung 
        der Märkte. Dabei werden weder die nationalen Interessen noch die länderspezifischen 
        Rahmen- und Lebensbedingungen berücksichtigt.  Die Verträge der Gegenwart Angesichts dieser Form von Geheimdiplomatie kann es kaum überraschen, 
        dass immer wieder an der Öffentlichkeit vorbei der Versuch unternommen 
        wurde, die neoliberale Wirtschaftspolitik weiter voranzutreiben. Als letztes 
        Beispiel für solch einen Versuch, der aber 1998 an den widerstreitenden 
        Interessen innerhalb der Industriestaaten scheiterte, ist das Multilaterale 
        Investitionsabkommen (MAI) zu nennen. Die 29 an den Verhandlungen beteiligten 
        Nationalstaaten sollten durch das MAI dazu verpflichtet werden, ausländische 
        und inländische Investoren gleich zu behandeln und Investitionshemmnisse 
        abzubauen.3  Alternativen des Rechts Aber eine kritische Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Rechts für die ökonomische Globalisierung in Form von völkerrechtlichen Verträgen und Abkommen beschränkt sich nicht nur auf die Analyse des bereits Bestehenden. Auch die Verwirklichung von Alternativen ist nur im Rahmen des Rechts denkbar. Eine bekannte Forderung nach einer Internationalen Insolvenzordnung, um die Länder der 3. Welt aus der Schuldenfalle zu befreien, indem sie ihre Zahlungsunfähigkeit erklären können und die Zahlungen an die Gläubigerländer einstellen können, ohne dass sie international abgestraft werden, wird immer in die Form internationaler Verträge gegossen werden. Auch die Einführung der Tobintax, welche eine Besteuerung internationaler Finanztransaktionen bedeuten würde und damit einen Versuch darstellt, Ökonomie global zu steuern, bedarf einer rechtlichen Umsetzung in Form von völkerrechtlichen Verträgen. Aber selbst wenn mensch meint, das gesamte System von IWF, Weltbank und WTO gehöre abgeschafft, bliebe immer noch die Frage, was an dessen Stelle treten sollte. Die Antwort darauf wäre immer auch eine juristische. Marcus Lippe studiert Jura und Politik und lebt in Berlin. Anmerkungen: 1 Vgl. Dietze, 
        Claudia, Währungsfonds auf Wechselkurs, Forum Recht (FoR) 2000, S. 53 
        ff.   |