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  Völkerrecht - eine Friedensordnung mit Rissen   Sonderausgabe
Wozu Jura studieren?
2002/2003

Seite 11
 
   
 

Hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Interventionen in Afghanistan, Kosovo oder Ost-Timor gerechtfertigt? Sind die Häftlinge der USA auf Cuba - Guantanamo rechtmäßig gefangen? Ist die Rücknahme der Zustimmung zu einem Internationalen Strafgerichtshof durch die USA zulässig? Alles Fragen wie sie regelmäßig die internationale Politik und die Tagespresse beschäftigen. Fragen nach Rechtmäßigkeiten, Zulässigkeiten und Rechtfertigungen im internationalen Raum die irrelevant wären, wenn es das Völkerrecht nicht gäbe. Denn im Völkerrecht finden sich die rechtlichen Grenzen für Angriffe auf andere Staaten, die Rechte von Kriegsgefangenen, das internationale Vertragsrecht etc. Kurz, das gesamte internationale Geschehen ist mittlerweile durchwoben von einem Rechtssystem, dass sich das Völkerrecht nennt.

Die Akteure

Es ist jedoch kein Recht zwischen Völkern, sondern zwischen Staaten. Die Staaten sind die Hauptakteure dieses Rechtssystems. Sie sind zum Einen diejenigen, die das Recht schaffen, da es keinen internationalen Gesetzgeber gibt, sondern das System hauptsächlich aus einer Vielzahl von Verträgen besteht. Zum Anderen sind sie diejenigen, die durch das Völkerrecht berechtigt oder verpflichtet sind, sogenannte Völkerrechtssubjekte. Als solche werden auch Internationale Organisationen - wie die UNO, UNICEF, die WTO, der IWF, die Weltbank u.a. - die ebenfalls aus Staaten bestehen, bezeichnet. Auch Individuen sind teilweise durch das Völkerrecht berechtigt, wie z. B. durch die Menschenrechte, oder verpflichtet durch das Völkerstrafrecht. Dieses kommt derzeit vor den UN-Tribunalen gegen Kriegsverbrecher aus Ex-Jugoslawien und Ruanda und seit dem 1. Juli 2002 auch weltweit vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) zur Anwendung. Neben den Verträgen sind auch das Völkergewohnheitsrecht, d.h. die durch langjährige Überzeugung und Praxis der Staaten geformten Rechtssätze und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, nämlich solche die im innerstaatlichen Recht sämtlicher Staaten gelten, Rechtsquellen des Völkerrechts.

Das Problem

Das grundsätzliche Problem des Völkerrechts ist, dass es keine internationale Exekutive gibt. Wenn Staaten sich nicht an die Selbstbindung der Verträge halten, ist die Durchsetzbarkeit des Völkerrechts gleich null. Es gibt zwar Gerichte, wie den Internationalen Gerichtshof oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die solche Rechtsverstöße feststellen, doch nennenswerte Sanktionsmöglichkeiten gegen Staaten gibt es nicht. Ausnahme sind die durch den UNO-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen, wenn er eine Bedrohung des Internationalen Friedens feststellt. Der Sicherheitsrat wird jedoch von seinen fünf ständigen Mitgliedern (China, Frankreich, Russland, Großbritannien und die USA) dominiert, die über ein Vetorecht verfügen. Eine Resolution des Sicherheitsrats hängt daher immer vom Willen dieser fünf Staaten ab, weshalb dieses Rechtssystem höchst anfällig gegenüber nationalen Einzelinteressen und damit äußerst schwach ist.

Das Ziel

Seit 1945 die UNO, deren Ziel die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ist, gegründet wurde, wird das Völkerrecht vornehmlich von dieser Staatengemeinschaft vorangebracht. Viele der in der UN-Charta festgeschrieben Grundsätze wie das Gewaltverbot und das Interventionsverbot (Art. 2 der UN-Charta) wirken international. Im Plenum aller Staaten, der Generalversammlung der UNO, wurde eine Vielzahl von völkerrechtlichen Verträgen verabschiedet, die alle dazu dienen, das Handeln der Staaten zu regeln, um dadurch das Zusammenleben der Völkergemeinschaft zu verbessern. Die Regelungsbereiche sind ganz unterschiedlich. Es wurden Verträge sowohl zum Schutz der Menschenrechte, der Umwelt, zur Regelung der internationalen See-, Raum- und Luftfahrt, der Diplomatischen Beziehungen, des Humanitären Völkerrechts, des Völkerstrafrechts u.a. verabschiedet. Positiv am Wachstum des Völkerrechts ist, dass dadurch die Macht der Einzelstaaten eingeschränkt und durch die anderen kontrolliert wird. Über diesen Weg auch dem Hauptziel, der weltweiten Friedenssicherung, ein kleines Stück näher zu kommen, ist zumindest indirekt möglich, da durch die Einbindungen der Staaten in die vielfältigen internationalen Verpflichtungen Alleingänge einzelner Staaten und Völkerrechtsverletzungen wenigstens auffallen, auch wenn sie ohne direkte Sanktion bleiben.

Fazit

Dennoch ist kein derartiger Erfolg des Völkerrechts erkennbar. Als Grund hierfür nannte man bis zum Ende des Kalten Krieges eine aus der Blockpolitik resultierende mangelnde Kompromissbereitschaft der Staaten. Im Sicherheitsrat der UNO stimmten die Blockstaaten grundsätzlich gegeneinander, so dass kaum sinnvolle Entscheidungen zustandekamen. Seit 1989 änderten sich die politischen Verhältnisse und man hoffte, dass die UNO nun operativ bei Völkerrechtsverletzungen einschreiten würde. Dies fand zum Teil, wie z.B. im Irak, Somalia und Ost-Timor mit unterschiedlichem (Miss-) Erfolg auch statt. Derzeit findet der Sicherheitsrat wieder häufig keinen Konsens, was aber mittlerweile die Staaten weniger zu stören scheint. Vielmehr gibt es immer mehr Aktionen, wie den Kosovo- oder den Afghanistan-Einsatz, die auch ohne klares UNO-Mandat durchgezogen werden. Diese Missachtungen des Völkerrechts finden sowohl durch einzelne Staaten, wie z.B. die Missachtung des Kyoto-Klimaprotokolls 1998, die Behandlung der Kriegsgefangenen in Guantanamo sowie die Angriffe auf den Sudan und den Irak durch die USA, als auch kollektiv - man beachte die Völkerrechtsbrüche der Nato im Kosovo - statt. Diese Häufung der Rechtsverletzungen sind Anzeichen für eine sinkende Akzeptanz insbesondere des Friedensvölkerrechts. Da das Völkerrecht jedoch das einzige Mittel ist, das als Friedensordnung ein Gleichgewicht gegen die internationale Machtpolitik setzen kann, muss weiter für seine Verbesserung und Akzeptanz gekämpft werden. Die Stärkung der Position der UNO ist notwendig, damit das Völkerrecht sein Ziel erreichen kann. Voraussetzung dafür ist eine Reform der UNO, hin zu einer Organisation, in der nicht mehr nur die fünf Siegermächte des zweiten Weltkriegs, sondern alle Staaten gleichberechtigt das Sagen haben.

Antje Welke macht Referendariat in Berlin.