Heft 1 / 2000:
status quo vadis
Die Europäische Union zwischen Neoliberalismus und Demokratisierung
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Landesverfassungsgericht schränkt verdachtsunabhängige Kontrollen ein
 

Das Verfassungsgericht von Mecklenburg-Vorpommern hat die seit Anfang 1998 vom dortigen Sicherheits- und Ordnungsgesetz vorgesehenen verdachtsunabhängigen Kontrollen teilweise für verfassungswidrig und die entscheidende Befugnisnorm für nichtig erklärt. Das gekippte Gesetz erlaubte verdachtsunabhängige Kontrollen mit Identitätsfeststellung zur "Unterbindung des unerlaubten Aufenthaltes und zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten der grenzüberschreitenden Kriminalität" sowohl im Grenzgebiet (mit einer Tiefe von 30 km) als auch auf Durchgangsstraßen.
Für Durchgangsstraßen hat das Landesverfassungsgericht festgestellt, daß allein das Reisen auf einer solchen kein Tatbestand sei, an den ein solcher Eingriff in Grundrechte geknüpft werden könne. Die Möglichkeit zu verdachtsunabhängigen Kontrollen im Grenzgebiet bleibt jedoch bestehen, allerdings gab es auch für diese einen kleinen Dämpfer: Die auf diesem Wege gesammelten Daten dürfen vorerst nicht mehr gespeichert und verarbeitet werden, da hierfür keine gesetzliche Regelung existiert.
Die Freude darüber, daß das Landesverfassungsgericht die Auswüchse des zwanghaften Drangs nach innerer Sicherheit begrenzt, wird allerdings merklich getrübt: So fordert das Gericht zwar, daß nur ganz bestimmte Straftaten auf diese Art vorbeugend bekämpft werden dürfen. Außerdem müßten überprüfbare Eingriffsschwellen festgelegt werden. Dafür sollen jedoch sogenannte "dokumentierte Lageerkenntnisse" oder polizeiliche Erfahrung ausreichen. Diese Eingriffsschwellen zeichnen sich vor allem durch Schwammigkeit und fehlende gerichtliche Überprüfbarkeit aus.
Weiterhin ließen die RichterInnen die grundsätzliche Kritik an verdachtsunabhängigen Kontrollen unberücksichtigt. Ausdrücklich wandte sich das Gericht gegen das Argument der BeschwerdeführerInnen, aus dem Menschenbild des Grundgesetzes ergebe sich, daß nicht jedeR als potentielleR RechtsbrecherIn betrachtet werden dürfe - eine Vermutung der Redlichkeit ergebe sich aus dem Grundgesetz nicht. Schade eigentlich!

Jan Gehrken, Hamburg.

Quellen: Urteil des LVerfG Mecklenburg-Vorpommern (Az: LVerfG 2/98); Lisken, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1998, 22.