Heft 1 / 2000:
status quo vadis
Die Europäische Union zwischen Neoliberalismus und Demokratisierung
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Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung von Krenz, Kleiber und Schabowski
 

Es bleibt dabei: Die Mitglieder des ehemaligen DDR-Politbüros müssen, soweit sie die Wiedervereinigung überlebt haben, ins Gefängnis. Am 9. November 1999 bestätigte die 5. Strafkammer des Bundesgerichtshofs (BGH) die Urteile des Berliner Kriminalgerichts gegen Egon Krenz, Günther Kleiber und Günter Schabowski vom 25. August 1997. Krenz, Kleiber und Schabowski waren wegen Totschlags an den sogenannten "Republikflüchtlingen" zu Gefängnisstrafen von sechseinhalb (Krenz) bzw. drei Jahren (Schabowski und Kleiber) verurteilt worden.
Allen drei wurde zur Last gelegt, als Mitglieder des Politbüros an Beschlüssen mitgewirkt zu haben, die vermittels Befehlsketten das Grenzregime aufrechterhalten und die Todesschüsse auf "Republikflüchtlinge" ausgelöst haben.
Krenz war seit 1983, Kleiber und Schabowski waren seit Mai 1984 Mitglieder des Politbüros. Zwar bestand das Grenzregime inklusive Stacheldraht respektive Mauer und Schießbefehl zu dieser Zeit bereits, doch wurde den dreien vorgeworfen, jeweils an der Definition und dem Beschluß des sogenannten Klassenauftrags an die Grenztruppen beteiligt gewesen zu sein, demzufolge diese die Unversehrtheit der Grenze zu sichern hatten. Für die hätten sie auch Tote billigend in Kauf genommen. Insgesamt hätten sie auch Tatherrschaft kraft Befehlsgewalt gehabt und seien somit die mittelbaren Täter hinter den Schützen.
Bei Schabowski und Kleiber gingen die Richter vom Vorliegen eines vermeidbaren Verbotsirrtums aus. Ihnen glaubten sie also, daß ihnen die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens nicht bewußt gewesen sei. Zudem sahen sie in ihren Fällen den minderschweren Fall des Totschlags (§ 213 Strafgesetzbuch) gegeben, so daß die Strafen entsprechend milde ausfallen konnten.
Alle drei Angeklagten hatten gegen das Berliner Urteil Revision mit dem Ziel eines Freispruchs eingelegt. Auch die Staatsanwaltschaft hatte Revision erhoben, da sie die Strafen als zu niedrig ansah. Mit der Abweisung der Revision sind die Urteile rechtskräftig.
Krenz hofft nun darauf, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht zu bekommen. Auch der frühere DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler und sein damaliger Stellvertreter Fritz Streletz haben bereits den Gerichtshof in Straßburg angerufen.

Jochen Goerdeler, Berlin

Quelle: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. 11. 99 (Az: 5 StR 632/98).