Heft 1 / 2000:
status quo vadis
Die Europäische Union zwischen Neoliberalismus und Demokratisierung
xxx

Lena Dammann Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zur Rubrik Ausbildung Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Schamloses Geschacher um Entschädigung der NS-ZwangsarbeiterInnen
 

Im Verlauf der sechsten Verhandlungsrunde über die Entschädigung von ZwangsarbeiterInnen kam es Mitte November zu einer Annäherung der Positionen der Opferanwälte sowie der deutschen Wirtschaft. Das kann aber nicht darüber hinweg täuschen, daß die Verhandlungen ein Paradebeispiel für den verantwortungslosen Umgang der deutschen Industrie mit ihrer Nazi-Vergangenheit darstellen. Von ca. zweitausend deutschen Unternehmen, die während des dritten Reiches ZwangsarbeiterInnen beschäftigten, sind lediglich sechzig Unternehmen dazu bereit, sich an der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zu beteiligen. Nur sechzehn davon bekennen sich namentlich zu ihrer Vergangenheit, der Rest der Zahlungswilligen möchte lieber anonym bleiben. Auch der Ablauf der Verhandlungen zeugt von einem schamlosen Poker der Industrie um die Entschädigung. So kam es erst zur Gründung des Entschädigungsfonds mit dem bedeutungsvollen Namen "Erinnern, Verantwortung und Zukunft", als die Einigung mit den Schweizer Banken 1997 über verbliebenes Vermögen von Holocaust Opfern, historische Forschungen und nicht zuletzt der Druck von Sammelklagen und Boykottdrohungen in den USA den Druck erhöhten. Zudem sind die deutschen Unternehmen in ihren Bemühungen, die zu zahlende Summe möglichst gering zu halten, unangenehm aufgefallen. Angesichts der florierenden Wirtschaft sowie des nicht unbeachtlichen Profits, der einst aus der Zwangsarbeit gezogen wurde, ist das Verhalten der Unternehmen unverantwortlich. Die Bremer Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts hat die Summe des vorenthaltenen Lohns nach Anrechnung der gestiegenen Lohnkosten und Inflation auf ca. 180 Mrd DM beziffert. Dagegen nehmen sich die 8 Mrd DM, die von deutscher Seite zuletzt angeboten wurden (5 Mrd DM seitens der Wirtschaft und 3 Mrd DM aus dem Bundeshaushalt), eher mickrig aus. Trotz dieses lächerlich geringen Angebots zeichnet sich eine Einigung ab, die allein auf das Entgegenkommen auf Opferseite zurückzuführen ist. So sind die Opferanwälte von ihren einstigen Forderungen, die im Bereich von 20-30 Mrd DM lagen, abgewichen. In dieser sechsten Verhandlungsrunde beanspruchten sie nunmehr 10-15 Mrd DM und sind sogar dazu bereit, über das Angebot in Höhe von 8 Mrd DM ernsthaft nachzudenken. Hingegen zeigt die deutsche Seite sich uneinsichtig und unbeweglich. So wurde die Forderung der Opferanwälte von deutlich über 10 Mrd DM als extravagant und unrealistisch bezeichnet und das Angebot der Wirschaft als eine Art humanitäre Hilfe angesehen, die bei 5 Mrd DM das Ende der Fahnenstange erreicht habe. Die Höhe der Entschädigungsleistung ist keine Frage des guten Willens, sondern ein Gebot von Recht und Moral, aber das haben die deutschen Verhandlungsführer augenscheinlich nicht begriffen.

Lena Dammann, Hamburg.