Heft 1 / 2000:
status quo vadis
Die Europäische Union zwischen Neoliberalismus und Demokratisierung
xxx

Kristina Stolterfoht Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zur Rubrik Ausbildung Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Eine starke Truppe
 

Die Bundeswehr hat grundsätzlich nichts gegen Homosexuelle, verkündete kürzlich ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums. Dem widerspricht allerdings die Zwangsversetzung eines Bundeswehroffiziers, dessen Homosexualität dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) bekannt wurde. Bis dahin als Ausbilder bei der Luftwaffe tätig, wurde der Zeitsoldat auf einen Posten im Stab versetzt.
"Homosexualität begründet erhebliche Zweifel an der Eignung und schließt eine Verwendung aus, die an Führung, Erziehung und Ausbildung gebunden ist." so die Begründung. Warum? Weil Homosexualität noch nicht allgemein in der Gesellschaft anerkannt und nicht bei allen Soldaten akzeptiert sei. Diese Akzeptanz könne nicht "per Erlaß" diktiert werden. Ein Ausbilder, dessen Homosexualität bekannt werde, büße daher an Autorität ein.
Über die Verfassungsbeschwerde, die der Betroffene aufgrund der Versetzung erhoben hat, ist noch nicht entschieden. Als interessant könnte sich herausstellen, welche Auswirkungen ein Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGMR) hat, das sich mit einem ähnlichen Fall befaßt. Es klagten vier Homosexuelle, die ebenfalls wegen ihrer sexuellen Orientierung aus den britischen Streitkräften ausgeschlossen worden waren. Das Gericht befand die Argumente des britischen Verteidigungsministeriums gegen den Einsatz von Homosexuellen in der Armee, die im wesentlichen denen des deutschen Ministeriums gleichen, als mit dem Recht auf Privatsphäre (Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)) unvereinbar. Sie basierten auf keinerlei "beweisbaren" Fakten, sondern auf einer voreingenommenen Haltung Heterosexueller gegenüber Homosexuellen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Oktober diesen Jahres ausdrücklich festgestellt, daß die Organisation der Streitkräfte in den Mitgliedstaaten nicht vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrecht ausgenommen ist. Er entschied, daß die Nationalstaaten bei der Organisation und Führung der Streitkräfte den Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu beachten haben. Nur wenn das Geschlecht unabdingbare Voraussetzung für eine Tätigkeit darstelle, sei eine Ausnahme gerechtfertigt. Ihre "objektiv" feststellbare Gebundenheit an biologische Voraussetzungen für eine Eignung kann Frauen also weiterhin ein Hindernis auf dem Weg zur Gleichbehandlung sein. Ein ähnlich objektives Kriterium bei schwulen Männern zu finden, dürfte sich allerdings als schwierig herausstellen.

Kristina Stolterfoht, Berlin.

Quellen: Beschluß des BVerfG, 2 BvR 2276/98 vom 17.08.99; http://www.bverfg.de/; Pressemitteilung des EuGMR vom 27.09.99; Urteil des EuGH in der Rechtssache C-273/97.