Heft 2/2000:
Mächtig organisiert - Die neue Weltordnung
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Die Kopftuch-Affäre
 

Während in Baden-Württemberg eine Lehrerin islamischen Glaubens nicht in den Schuldienst übernommen wird, weil sie im Unterricht ein Kopftuch trägt, läuft es in Bayern anders: Abzuschiebende Iranerinnen, werden von deutschen Behörden aufgefordert, Passfotos mit Kopftuch vorzulegen. Und wenn die Flüchtlinge nicht spuren, dann wird mit Staatsgewalt nachgeholfen.
Ausgangspunkt ist der Fall der in Nürnberg lebenden 28-jährigen Iranerin Roya Mosayebi: Nachdem sie in ihrem Heimatland wegen "unmoralischem Verhaltens" (sie hatte sich von ihrem Ehemann getrennt und in ihrem Friseurgeschäft Frisurenfotos unverschleierter Frauen ausgestellt) von islamischen Sittenwächtern zu 75 Peitschenhieben und sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden war, floh sie 1997 mit ihren beiden Söhnen nach Deutschland.
Als im Juni 1999 ihr Asylantrag wegen mangelnder politischer Verfolgung abgelehnt worden war, forderte die Nürnberger Ausländerbehörde Passfotos mit Kopftuch zur Vorbereitung der Abschiebung der Familie, nach Maßgabe der iranischen Botschaft zur Ausstellung eines für die Abschiebung der Familie notwendigen Heimreisescheins. Mosayebi gab jedoch nur Fotos ab, die sie ohne Kopftuch zeigten.
Am 3. November 1999 drangen dann mehrere PolizistInnen in die Wohnung von Roya Mosayebi ein und verbrachten sie in das Nürnberger Polizeipräsidium. Dort wurde die sich wehrende Frau niedergerungen und von den BeamtInnen fixiert. Die PolizistInnen knoteten ihr ein Tuch über die Haare und fertigten von der weinenden Frau mehrere Passfotos an.
Der von Mosayebi konsultierte Arzt attestierte eine Verletzung der linken Schulter und eine Quetschung des rechten Armes. Als sich die Iranerin - trotz staatlicher Einschüchterungen - an die Öffentlichkeit wandte, wurde bekannt, dass es sich bei diesem Vorgang um gängige Nürnberger Praxis handelt; auch in den folgenden Wochen wurden noch mehrere andere iranische Frauen aufgefordert, Passfotos mit Kopftuch abzugeben.
Das Verwaltungsgericht Ansbach und der Verwaltungsgerichtshof München bezeichnen in von Betroffenen erwirkten Entscheidungen den Zwang für Frauen, im Iran ein Kopftuch zu tragen, als lediglichen Bestandteil eines im Iran herrschenden ordnungsrechtlichen Regelungswerks; eine Beeinträchtigung der Religionsfreiheit liege somit nicht vor; demzufolge sei auch in Deutschland abgelehnten iranischen Asylbewerberinnen der Kopftuchzwang - auch bei polizeilichen Zwangsmaßnahmen - für Passfotos generell zuzumuten.

Götz Schulz-Loerbroks, Erlangen