Heft 2/2000:
Mächtig organisiert - Die neue Weltordnung
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Sammelsurium
 

Flüchtlingskongreß in Jena

"Gemeinsam gegen Abschiebung und soziale Ausgrenzung" ist das Motto eines vom 21.4. - 1.5. in Jena stattfindenden Kongresses, der von der "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen" veranstaltet wird. Die Karawane ist eine von Flüchtlingen selbstorganisierte Vernetzungsinitiative, die in Zusammenarbeit mit "Kein Mensch ist illegal" die Situation von MigrantInnen in der Bundesrepublik thematisiert. Vor diesem Hintergrund sollen auf dem Kongreß Aktionen für die nähere und fernere Zukunft geplant werden. Informationen bei: The Voice Africa Forum, Tel. 03641 - 66 52 14, Fax 03641 - 42 37 95, www.humanrights.de/congress, THE_VOICE_Jena@gmx.de

"Wider kriegerische Menschenrechte"

Dies ist der Titel einer vom Komitee für Grundrechte und Demokratie herausgebrachten pazifistisch-menschenrechtlichen Streitschrift. Den Autoren geht es vor dem Hintergrund des Kosovo-Krieges 1999 um die Begründung einer pazifistischen Politik. Diese richtet sich insbesondere gegen den herrschenden Diskurs, der die Sicht des Krieges in der Öffentlichkeit prägte und zu einem Kurswechsel bei "Friedensbewegung", den Grünen und weiteren Teilen der Linken führte. Für DM 12,- zu beziehen über Komitee für Grundrechte und Demokratie, Aquinostr. 7 - 12, 50670 Köln.

Ende des globalen Kapitalismus - Das neue historische Projekt

Unter diesem Motto findet am 20. und 21.5. in Göttingen ein Kongreß statt, der nicht nur eine radikale Kritik an den derzeit bestehenden sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen äußern, sondern auch mögliche Alternativen darstellen will. Er soll Auftakt sein für eine kontinuierliche Diskussion über das gleichnamige Buch, das in lateinamerikanischen Basisbewegungen bereits lebhaft diskutiert wird.
Dessen Inhalt ist gerichtet auf eine neue soziale Utopie, die auf den Prinzipien der Gleichheit, Freiheit und Solidarität beruht und eine vorwärtsweisende, objektiv gerechte und internationale Utopie für die gemeinsame Zukunft der Menschheit verwirklichen will. Gleichzeitig will es den Weg dorthin weisen, indem grundlegend neue wirtschaftspolitische Ansätze entwickelt werden, die über traditionelle linke Konzepte hinausgehen. Kontakt: puk c/o blackbit, Ernst-Ruhstrat-Straße 6, 37079 Göttingen, Tel. 0172 - 961 90 87, info@puk.de, http://www.puk.de

Dokumentationsstelle für unkonventionelle Literatur der Bibliothek für Zeitgeschichte

Die seit 1972 bestehende Dokumentationsstelle für unkonventionelle Literatur, eine Abteilung der Bibliothek für Zeitgeschichte, bietet "nicht-konventionelle Materialien zur Zeitgeschichte aus dem deutschsprachigen Raum". Anlaß für die Gründung der Dokumentationsstelle war die während der StudentInnenbewegung veröffentlichte, kaum überschaubare Menge an Flugblättern, Broschüren, Zeitungen, Zeitschriften und Plakaten.
Die Dokumentationsstelle sammelt derartige wissenschaftlich relevante Materialien, die in der Regel nicht über den konventionellen Literaturvertrieb, sondern direkt von den HerausgeberInnen hergestellt und verbreitet werden. Inhaltlich wird die gesamte Bandbreite linker Politik abgedeckt.
Die Dokumentationsstelle bietet weitreichende Recherchemöglichkeiten und ist darüber hinaus stets auf der Suche nach neuem Archivmaterial. Kontakt: Dokumentationsstelle für unkonventionelle Literatur der Bibliothek für Zeitgeschichte, Außenstelle, Gaisburgstraße 4a, 70182 Stuttgart, Tel. 0711/2124480, Fax 0711/2364450, bfzdoku@mailserver.wlb-stuttgart.de, Homepage: http://www.wlb-stuttgart.de/~bfz

Zum aktuellen Stand des Verfahrens von Mumia Abu-Jamal

Tobias Singelnstein

"Mumias Verfahren befindet sich derzeit in der alles entscheidenden Phase." Mit diesen Worten brachte Mumia Abu-Jamals Anwalt Len Weinglass bei seinem Besuch in Berlin Anfang Februar die aktuelle Situation auf den Punkt. Nachdem der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten am 4. Oktober vergangenen Jahres eine Beschwerde gegen die Ablehnung einer Revision durch den Obersten Gerichtshof des Bundesstaates Pennsylvania ungehört verworfen hatte, sind die Gerichtsinstanzen auf der Ebene des Bundesstaates nunmehr ausgeschöpft. Dem afroamerikanischen Journalisten und ehemaligen Black Panther bleiben nun lediglich noch die Bundesinstanzen, konkret das Bundesbezirksgericht und das Bundesberufungsgericht. Anschließend steht ihm nur noch der erneute Gang vor den Obersten Gerichtshof offen, der jedoch keine die Hinrichtung aufschiebende Wirkung mehr hat.
Mumias Anwälte haben vor dem Bundesbezirksgericht einen Antrag auf ein neues Verfahren wegen der skandalösen Prozeßführung durch Richter Albert Sabo und der Verletzung von Mumias verfassungsmäßigen Rechten in dem ersten Verfahren 1982 - beispielsweise durch das Verbot der Selbstverteidigung, die Ablehnung von Entlastungsbeweisen und die Manipulation von ZeugInnen - gestellt. Bundesrichter William Yohn entscheidet ab April in einer oder mehreren Anhörungen, ob er Mumias Antrag auf einen neuen Prozeß aufgrund der Aktenlage entscheidet oder ob er eine neue Beweisanhörung anberaumen wird. Diese Beweisanhörung ist die einzige und letzte Chance für Mumias Verteidigung, das umfangreiche Entlastungsmaterial, das in den vergangenen Jahren gesammelt wurde, in das Verfahren einzubringen. Ob Mumia ein neues Verfahren bekommt, wird ganz entscheidend davon abhängen, ob dieses Material dem Gericht offiziell vorgelegt werden kann oder nicht, da die nachfolgende Berufungsinstanz nur noch aufgrund der - bislang für Mumia extrem schlechten - Aktenlage entscheidet.
Bislang rechneten sich Mumias Anwälte gute Chancen aus, in der derzeit aktuellen Instanz ein neues Verfahren erwirken zu können, u.a. da die ernannten BundesrichterInnen wesentlich unabhängiger sind als die gewählten RichterInnen in den Bundesstaaten. Bis 1996 wurden deutlich mehr als 30 Prozent aller Todesurteile von Bundesgerichten aufgehoben. Dies hat sich jedoch mit dem 1996 erlassenen Gesetz zur Effektivierung der Todesstrafe erheblich geändert. Um den TodeskandidatInnen Berufungsmöglichkeiten zu nehmen, wurden die Möglichkeiten für BundesrichterInnen, derartige Verfahren aufzurollen, erheblich eingeschränkt. Wie die neuen Bedingungen für eine derartige Aufhebung von Urteilen auszulegen sind, wird derzeit in Präzedenzfällen vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten entschieden. Klar ist jedoch, dass Mumias Chancen auf ein neues Verfahren gesunken sind. Bundesrichter Yohn wird einigen Mut aufbringen müssen, um in dem politisch hochbrisanten Verfahren eine Entscheidung für einen neuen Prozeß zu treffen, die nicht durch eine gefestigte Rechtsauffassung gedeckt ist und zudem der Meinung der meisten seiner KollegInnen widersprechen dürfte. Deshalb ist Mumias Verteidigungsteam neben Spenden für den extrem teuren Weg durch die Instanzen vor allem auch auf breiten öffentlichen Protest angewiesen, der die Forderung nach einem neuen Verfahren für Mumia unterstützt.

Tobias Singelnstein studiert Jura in Berlin und arbeitet als freier Journalist.

Spenden: Sonderkonto "Jamal" / Archiv 92, Kto-Nr.: 100 873 8701, Bank für Gemeinwirtschaft Bremen, BLZ: 290 101 11, Verwendungszweck: "Anhörung"; vgl. auch http://www.berlinet.de/ari/kampagne/mumia

Leserbrief zu Forum Recht 4/99
Schwerpunkt "Verfassungspotentiale? 50 Jahre Grundgesetz"

(Dieser Leserbrief wurde im gedruckten Heft aufgrund einer technischen Panne teilweise verkürzt oder mißverständlich wiedergegeben. Eine Richtigstellung erschien in FoR 3 / 2000. Hier erscheint der korrekte Text.)

Mit kritischer Spannung und der Erwartung, daß Rechtsbetrachtung von Links den eigenen Anspruch hoffentlich nicht negierend zu Papier bringen würde, konnte das neue Titelthema von Forum Recht (Verfassungspotentiale? - 50 Jahre Grundgesetz) abgewartet werden. Der spannenden linken Diskussion vermochte der Inhalt von Heft 04/99 leider kaum den dringend benötigten neuen Anschub zu bringen, den illusionären Vorstellungen über die Gerechtigkeit der deutschen Verfassungswirklichkeit und ihrer ideologischen Denkmodelle mittels Untersuchung gesellschaftlicher Machtstrukturen und konkreter Analyse und Kritik etwas entgegenzusetzen.
Ein Eindruck (?) der sich bei der Lektüre von FoR leider schon des öfteren zu bestätigen schien. Besonders ärgerlich in diesem Zusammhang ist die zunehmend loser werdende Verbindung zum BAKJ, die sich zielsicher im Abdruck des umstrittenen Papieres zur Ausbildungsdiskussion und in der gleichzeitigen Ignorierung linker Positionsbestimmungen wie beim Kongreß in Hamburg ausdrückt; nähere Infos leider nur auf der vorletzten Seite mittels Hinweis zum Anfordern. Kritische Sicht zu den marktkompatiblen Inhalten, die die Ausbildung den Erfordernissen einer "internationalen Kompatibilität" unterstellt, war nicht "in Sicht" und vermag damit die Diskussion kaum zu befördern - womit wieder der Bezug zum Heftthema auftaucht. Wird doch bspw. im Artikel "in dubio pro populo" die Quintessenz gezogen, daß sich das BVerfG aus politischen Fragen heraushalten soll. Ganz im herrschenden Diskurs verbleibend wird der Charakter des Rechts als losgelöst von sozio-ökonomischen Verhältnissen beschrieben und somit die Chance verpasst, die Widerspiegelungen zu analysieren.
So ist weder das BVerfG "ins Leben gerufen worden, um die oft recht kryptischen Formeln mit Inhalt zu versehen" noch um "zuweilen sogar progressiv" zu urteilen. Unfertig ausformulierte Gedankenspiele, die nur zu Fehlurteilen und -bewertungen führen können - etwa bei der Rechtsprechung des EGMR, der eben das Recht auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit nur in einem bestimmten Rahmen der bundesrepublikanischen Legalität bestätigt hat.
Und warum etwa die Senate des BVerfG eine unterschiedliche Personalstärke und -besetzung in der Vergangenheit hatten, entzieht sich so ebenfalls der Bewertung.
Aber zum Glück erscheint im Artikel zur Wirtschaftverfassung des Grundgesetzes eine wichtige Fragestellung nach der Bedeutung der Sozialisierung, der aber an dem Versuch zu beweisen, warum (Teil-) Sozialisierungen kaum eine Bedeutung haben, bereits an der Kennzeichnung einer "postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft" scheitern muß, wie auch an der engen Bezugnahme des Rahmens des Art. 15 GG an der Verfassungsinterpretation der herrschenden Meinung. Die politischen Kämpfe der Gewerkschaften ignorierend wird eine Bedeutung für den "politischen Diskurs unserer Tage" und vergangener ("durchaus berechtigte Bedenken" der CDU) - weil "marktstörend und wettbewerbsverzerrend" - verneint und damit jegliche Handlungsoption aufgrund mangelnder subjektbezogener Positionierung vertan.
Die Redaktion und die LeserInnenschaft (den schreibfaulen Autor hier nicht ausgenommen, dessen Kritik an dieser Stelle nur verkürzend ausfallen kann) müssen bestimmte Ansichten nicht teilen, sie sollten aber zumindest zukünftig der Chance einer linken Auseinandersetzung auch für den eigenen kritischen Anspruch durch Berücksichtigung und v.a. aktiven Einforderung auch den Rahmen sprengender Diskurse fernab subjektivistischer Interpretationen mehr Beachtung schenken, um gemeinsam zu verhindern, analog der "taz" den Weg einer "Kinder-NJW" zu beschreiten.

Greco Koukoulas, Berlin

Leserbrief zu Forum Recht 1/00
Artikel "Umstrittenes Terrain Europa"

Gleich im ersten Artikel der "Europa-Ausgabe" wird eine erstaunliche Feststellung gemacht: "Vergleicht man die Strukturen der EU mit denen der BRD, so sind vom Demokratisierungsniveau her keine wesentlichen Unterschiede mehr festzustellen." (S.5). Der gesamte Artikel ist der Versuch, der EU eine demokratische Struktur anzudichten, indem EU- mit BRD- Strukturen verglichen werden.
Bei diesem Vergleich werden die bundesdeutschen demokratischen Strukturen wie selbstverständlich als Ideal verwandt - gleicht eine EU-Struktur einer BRD-Struktur, so gilt dies als Beweis für die Verwirklichung der Demokratie in der EU. Die Frage nach dem Zustand der Demokratiestrukturen und deren Vollzug in der BRD wird nicht gestellt, obwohl hierzulande z.B. der Verdacht, daß Regierungsentscheidungen durch gezielte "Spenden" der Wirtschaft an eine ehemalige Regierungspartei gelenkt wurden, unwiderlegt im Raum steht. Durch die Gleichstellung der Worte Demokratie und BRD bleibt leider eine Beurteilung des Demokratiezustandes der EU anhand einer Demokratiedefinition bzw. -theorie auf der Strecke.
Es wäre auch zu fragen, ob eine Demokratisierung der EU überhaupt gefordert bzw. herbeigeredet werden soll. Dazu wäre die Fragestellung interessant gewesen, ob die EU als solche überhaupt unterstützenswert ist. Leider fand sich in dem gesamte Heft kein einziger Ansatz in diese Richtung. Die Tatsache, daß die EU ursprünglich als Europäische Wirtschaftsunion gegründet wurde und daß es auch heute die Wirtschaftspolitik ist, die in der EU dominiert, bleibt unbeleuchtet. Die Europäisierung systematischer Menschenrechtsverletzungen im Asylbereich zur Abschottung nach außen oder die Überwachung der BürgerInnen zur Abschottung nach innen wurde nicht für wert befunden, in die Demokratieanalyse einzufließen. Doch sind nicht gerade diese Merkmale der EU prägend, und Einrichtungen wie Europol, Schengener Informationssystem (mit fast 9 Mio. Datensätzen), Frühwarnsysteme für Asyl (CIREA) und für Einwanderung (CIREFI), Eurodac (Europäische Fingerabdruckdatei über Asylsuchende), Enfopol 98 (Abhör- und Überwachungspläne) Ausdruck für die Beschneidung demokratischer Rechte durch die EU (Prinzipien wie Offenheit, Transparenz, verbindliche Rechtskontrolle sind diesen Einrichtungen fremd)?
Der Artikel beschränkt sich im wesentlichen auf die Betrachtung des EGV-Textes. Eine solche Betrachtungsweise ist aber zu verkürzt für eine Analyse der status quo der EU. Schickt man sich an, die Demokratie in der BRD zu analysieren, so werden sicher auch mehr Ansätze nötig sein als die reine Betrachtung des Verfassungstextes. Als Beispiel für die "Aussagekraft" des EGV kann die Umweltpolitik der EU angeführt werden (fälschlicherweise wurde dieses Beispiel als besonders positiv bezüglich demokratischer Entscheidungsprozesse in der EU verwandt, S. 4). Die Umweltkompetenzen des EGV (Art. 174 ff) werden kaum in Anspruch genommen, da sie (fast) immer hinter den Wirtschaftskompetenzen zurückstehen. Auch die Formel, daß die Umweltpolitik bei allen Maßnahmen der EU zu berücksichtigen sei (Art. 6 EGV), läßt Praxiswirkung vermissen.
Den EGV-Text als Grundlage für eine Demokratieanalyse zu verwenden, wirkt auch dadurch befremdlich, daß gerade die Entstehung dieses Textes kaum demokratisch legitimiert ist. Die "europäischen" Verträge sind ausschließlich Ergebnisse von Verhandlungen der Regierungen der Mitgliedstaaten. Am Ende des Artikels wird aber sogar behauptet, daß die EU keine Verfassung brauche, da eben diese undemokratisch entstandenen Verträge die europäische Verfassung seien (S. 7). Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, zu welch scheinbar schlüssigen Ergebnissen gelangt werden kann, wenn die Fragen nach der Historie dessen, was untersucht wird, außen vor bleiben.

Volker Gerloff, Berlin