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Radikaler Erlass
--> Berufsverbote. Der linke Realschullehrer Michael Csaszkóczy
hat nach dem Einstellungsverbot in Baden-Württemberg nun auch in Hessen
Berufverbot bekommen. Der Pädagoge war im Auswahlverfahren als bester
Kandidat für die Martin-Buber-Schule im südhessischen Heppenheim ausgewählt
worden. Minuten vor der ersten Lehrerkonferenz hatte jedoch das Schulamt
unter Berufung auf eine Intervention des hessischen Innenministeriums
den Schulleiter angewiesen, den Arbeitsvertrag nicht zu unterschreiben.
Das Berufsverbot geht auf die Entscheidung der ehemaligen baden-württembergischen
Kultusministerin und jetzigen Bundesbildungsministerin Annette Schavan
(CDU) zurück. Diese hatte im vorletzten Jahr erklärt, mit seiner Mitarbeit
in der "Antifaschistischen Initiative Heidelberg" stehe Csaszkóczy nicht
auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Nach Ansicht des Solidaritätskomitees gegen Berufsverbote setzten die
beiden CDU-Landesregierungen in Hessen und Baden-Württemberg auf die Wiederbelebung
der Berufsverbotspraxis. Lange Zeit war der 1972 von der Regierung Brandt
eingeführte "Erlass zur Beschäftigung von Radikalen im öffentlichen Dienst",
mit dem seinerzeit politisch unliebsame Menschen aus öffentlichen Dienstsverhältnissen
herausgehalten werden sollten, nicht mehr angewendet worden. Die Praxis
des so genannten Radikalenerlasses ist vom Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte später für rechtswidrig erklärt worden, weil sie gegen
die Grundrechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit nach Artikel 10
und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoße. Das Verwaltungsgericht
in Karlsruhe wird nun über das Berufsverbot in Baden-Württemberg entscheiden.
Derweil hat der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte,
Rolf Gössner, auf den Fall des auf einem bayerischen Flughafen arbeitenden
Lagerleiters Johann H. hingewiesen, welcher für viele Betroffene stünde,
die ihren Arbeitsplatzverlust nicht näher öffentlich machen wollten. Johann
H. wurde von der bayerischen Landesregierung die Zutrittsberechtigung
für nicht allgemein zugängliche und sicherheitsempfindliche Bereiche des
Flughafens entzogen. Er musste seinen Flughafenausweis abgeben und konnte
so seine Arbeitsstätte nicht mehr erreichen. Begründet wurde sein faktisches
Berufsverbot mit den so genannten "Anti-Terror-Gesetzen" von 2002. Danach
müsse die Feststellung seiner persönlichen Zuverlässigkeit widerrufen
werden, weil er vor zwanzig Jahren für eine linksradikale Gruppe Plakate
geklebt haben soll. Die Gesetzesbestimmungen im novellierten Sicherheitsüberprüfungsgesetz
sehen vor, Beschäftigte in "lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen,
die für das Funktionieren für das Gemeinwesen unverzichtbar sind und deren
Beeinträchtigung erhebliche Unruhe in großen Teilen der Bevölkerung entstehen
lassen würde" so genannten Sicherheitsüberprüfungen unter Mitwirkung des
Verfassungsschutzes zu unterziehen. Bei derartigen Vorgaben befürchtet
Gössner eine "neue Welle von Berufsverboten".
(Infos unter www.gegen-berufsverbote.de)
Freie Politik
--> Pressefreiheit. Der zum Ende seiner Dienstzeit mit dem Big
Brother Award für sein Lebenswerk ausgezeichnete Bundesinnenminister Otto
Schily ist in einem seiner letzten Manöver gegen die Bürger- und Freiheitsrechte
vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ausgebremst worden. Das Gericht
entschied, dass an dem sofortigen Vollzug des Verbots der in Frankfurt
am Main erscheinenden türkischsprachigen Tageszeitung Özgür Politika ("Freie
Politik") kein öffentliches Interesse bestehe, weil die von den betroffenen
kurdischen JournalistInnen dagegen eingereichte Klage "voraussichtlich
Erfolg" haben wird.
Zuvor hatten am 5. September 300 Polizisten Redaktionsräume und zahlreiche
Privatwohnungen der Mitarbeiter von Özgür Politika durchsucht. Lasterweise
wurden Archive, Computer und Tausende Bücher beschlagnahmt. Auch das Privateigentum
der JournalistInnen war vor den Sicherheitsbehörden nicht sicher. Özgür
Politika, so die Begründung Schilys seinerzeit, sei in die Strukturen
der 1993 in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eingebunden.
Daher wurde das sofortige Verbot der Zeitung verfügt. Diese erscheint
allerdings schon seit rund zehn Jahren, zuletzt mit einer Auflage von
13.000 Stück. Sie gilt als eine der wichtigsten Medien für die türkische
und kurdische Linke (siehe FoR 2005, 143).
Eingeborenenregister für Asylsuchende
--> Rassismus. Gegen Cornelius Yufanyi, einem Mitglied der MigrantInnenorganisation
"The Voice Refugee Forum" wurde Haftbefehl erlassen, weil er sich weigerte,
eine Geldstrafe in Höhe von 320 Euro wegen eines Verstoßes gegen die so
genannte Residenzpflicht zu bezahlen. Yufanyi wird vorgehalten, sich ohne
die notwendige Erlaubnis aus dem ihm zugewiesenen Aufenthaltsbereich bewegt
zu haben. Der Kameruner, der seit 1998 in deutschen Asylbewerberheimen
wohnt, organisierte 1999 den in Jena stattfindenden Kongress "Gemeinsam
gegen Abschiebung und soziale Ausgrenzung" mit. Als er sich von seiner
abgelegenen Unterkunft im thüringischen Landkreis Eichsfeld auf dem Weg
dorthin machen wollte, wurde ihm die Reiseerlaubnis von der zuständigen
Behörde verweigert. Yufanyi fuhr trotzdem und wurde umgehend von einem
Sachbearbeiter angezeigt.
Yufanyi betonte, er werde keine Strafe dafür zahlen, dass er die elementaren
Rechte auf Bewegungsfreiheit und der freien Bestimmung des Aufenthaltsortes
wahrnehme. Dabei verwies er auch auf die Geschichte seines Herkunftslandes
Kamerun. In der ehemaligen Kolonie Deutschlands habe es "Eingeborenenregister"
und eine Blechmarke als Passersatz gegeben, um die Kolonisierten zu kontrollieren.
Da jede Marke nur in einem Bezirk gültig war, konnten die Kolonialbehörden
jederzeit feststellen, ob AfrikanerInnen unerlaubt ihren Distrikt verlassen
hatten.
Zahlreiche Bürgerrechtsorganisationen wie etwa das Komitee für Grundrechte
und Demokratie unterstützen Yufanyi. Das Komitee bezeichnet die Regelung
als ein "diskriminierendes Sondergesetz gegen Asylsuchende", welches besonders
geeignet sei, "die politische Brandrede vom kriminellen Ausländer zu bestätigen".
Auch das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat Deutschland schon mehrfach zu
verstehen gegeben, das die Residenzpflicht mit internationalem Recht nicht
zu vereinbaren sei.
(str)
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