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Politische Justiz   Heft 1/2006
Medien und Meinungsmacht

Seite 33
 
 

Radikaler Erlass

--> Berufsverbote. Der linke Realschullehrer Michael Csaszkóczy hat nach dem Einstellungsverbot in Baden-Württemberg nun auch in Hessen Berufverbot bekommen. Der Pädagoge war im Auswahlverfahren als bester Kandidat für die Martin-Buber-Schule im südhessischen Heppenheim ausgewählt worden. Minuten vor der ersten Lehrerkonferenz hatte jedoch das Schulamt unter Berufung auf eine Intervention des hessischen Innenministeriums den Schulleiter angewiesen, den Arbeitsvertrag nicht zu unterschreiben.
Das Berufsverbot geht auf die Entscheidung der ehemaligen baden-württembergischen Kultusministerin und jetzigen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) zurück. Diese hatte im vorletzten Jahr erklärt, mit seiner Mitarbeit in der "Antifaschistischen Initiative Heidelberg" stehe Csaszkóczy nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Nach Ansicht des Solidaritätskomitees gegen Berufsverbote setzten die beiden CDU-Landesregierungen in Hessen und Baden-Württemberg auf die Wiederbelebung der Berufsverbotspraxis. Lange Zeit war der 1972 von der Regierung Brandt eingeführte "Erlass zur Beschäftigung von Radikalen im öffentlichen Dienst", mit dem seinerzeit politisch unliebsame Menschen aus öffentlichen Dienstsverhältnissen herausgehalten werden sollten, nicht mehr angewendet worden. Die Praxis des so genannten Radikalenerlasses ist vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte später für rechtswidrig erklärt worden, weil sie gegen die Grundrechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit nach Artikel 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoße. Das Verwaltungsgericht in Karlsruhe wird nun über das Berufsverbot in Baden-Württemberg entscheiden.
Derweil hat der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, auf den Fall des auf einem bayerischen Flughafen arbeitenden Lagerleiters Johann H. hingewiesen, welcher für viele Betroffene stünde, die ihren Arbeitsplatzverlust nicht näher öffentlich machen wollten. Johann H. wurde von der bayerischen Landesregierung die Zutrittsberechtigung für nicht allgemein zugängliche und sicherheitsempfindliche Bereiche des Flughafens entzogen. Er musste seinen Flughafenausweis abgeben und konnte so seine Arbeitsstätte nicht mehr erreichen. Begründet wurde sein faktisches Berufsverbot mit den so genannten "Anti-Terror-Gesetzen" von 2002. Danach müsse die Feststellung seiner persönlichen Zuverlässigkeit widerrufen werden, weil er vor zwanzig Jahren für eine linksradikale Gruppe Plakate geklebt haben soll. Die Gesetzesbestimmungen im novellierten Sicherheitsüberprüfungsgesetz sehen vor, Beschäftigte in "lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen, die für das Funktionieren für das Gemeinwesen unverzichtbar sind und deren Beeinträchtigung erhebliche Unruhe in großen Teilen der Bevölkerung entstehen lassen würde" so genannten Sicherheitsüberprüfungen unter Mitwirkung des Verfassungsschutzes zu unterziehen. Bei derartigen Vorgaben befürchtet Gössner eine "neue Welle von Berufsverboten".

(Infos unter www.gegen-berufsverbote.de)

Freie Politik

--> Pressefreiheit. Der zum Ende seiner Dienstzeit mit dem Big Brother Award für sein Lebenswerk ausgezeichnete Bundesinnenminister Otto Schily ist in einem seiner letzten Manöver gegen die Bürger- und Freiheitsrechte vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ausgebremst worden. Das Gericht entschied, dass an dem sofortigen Vollzug des Verbots der in Frankfurt am Main erscheinenden türkischsprachigen Tageszeitung Özgür Politika ("Freie Politik") kein öffentliches Interesse bestehe, weil die von den betroffenen kurdischen JournalistInnen dagegen eingereichte Klage "voraussichtlich Erfolg" haben wird.
Zuvor hatten am 5. September 300 Polizisten Redaktionsräume und zahlreiche Privatwohnungen der Mitarbeiter von Özgür Politika durchsucht. Lasterweise wurden Archive, Computer und Tausende Bücher beschlagnahmt. Auch das Privateigentum der JournalistInnen war vor den Sicherheitsbehörden nicht sicher. Özgür Politika, so die Begründung Schilys seinerzeit, sei in die Strukturen der 1993 in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eingebunden. Daher wurde das sofortige Verbot der Zeitung verfügt. Diese erscheint allerdings schon seit rund zehn Jahren, zuletzt mit einer Auflage von 13.000 Stück. Sie gilt als eine der wichtigsten Medien für die türkische und kurdische Linke (siehe FoR 2005, 143).

Eingeborenenregister für Asylsuchende

--> Rassismus. Gegen Cornelius Yufanyi, einem Mitglied der MigrantInnenorganisation "The Voice Refugee Forum" wurde Haftbefehl erlassen, weil er sich weigerte, eine Geldstrafe in Höhe von 320 Euro wegen eines Verstoßes gegen die so genannte Residenzpflicht zu bezahlen. Yufanyi wird vorgehalten, sich ohne die notwendige Erlaubnis aus dem ihm zugewiesenen Aufenthaltsbereich bewegt zu haben. Der Kameruner, der seit 1998 in deutschen Asylbewerberheimen wohnt, organisierte 1999 den in Jena stattfindenden Kongress "Gemeinsam gegen Abschiebung und soziale Ausgrenzung" mit. Als er sich von seiner abgelegenen Unterkunft im thüringischen Landkreis Eichsfeld auf dem Weg dorthin machen wollte, wurde ihm die Reiseerlaubnis von der zuständigen Behörde verweigert. Yufanyi fuhr trotzdem und wurde umgehend von einem Sachbearbeiter angezeigt.
Yufanyi betonte, er werde keine Strafe dafür zahlen, dass er die elementaren Rechte auf Bewegungsfreiheit und der freien Bestimmung des Aufenthaltsortes wahrnehme. Dabei verwies er auch auf die Geschichte seines Herkunftslandes Kamerun. In der ehemaligen Kolonie Deutschlands habe es "Eingeborenenregister" und eine Blechmarke als Passersatz gegeben, um die Kolonisierten zu kontrollieren. Da jede Marke nur in einem Bezirk gültig war, konnten die Kolonialbehörden jederzeit feststellen, ob AfrikanerInnen unerlaubt ihren Distrikt verlassen hatten.
Zahlreiche Bürgerrechtsorganisationen wie etwa das Komitee für Grundrechte und Demokratie unterstützen Yufanyi. Das Komitee bezeichnet die Regelung als ein "diskriminierendes Sondergesetz gegen Asylsuchende", welches besonders geeignet sei, "die politische Brandrede vom kriminellen Ausländer zu bestätigen". Auch das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat Deutschland schon mehrfach zu verstehen gegeben, das die Residenzpflicht mit internationalem Recht nicht zu vereinbaren sei.
(str)