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Niedersächsisches Mediengesetz verfassungswidrig   Heft 1/2006
Medien und Meinungsmacht

Seite 32
 
 

Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat in einem Normenkontrollverfahren am 6. September 2005 festgestellt, dass das Niedersächsische Mediengesetz nicht mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes i.V.m. Art. 3 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfassung vereinbar und damit nichtig ist (Aktenzeichen StGH 4/04).
Das Verfahren wurde von der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag angestrengt. Es richtete sich gegen die Neufassung, die das Gesetz im Dezember 2003 von der frisch gewählten CDU/FDP-Landtagsmehrheit erhielt. Die Änderung schränkte die Möglichkeit politischer Parteien, sich an privaten Rundfunksendern zu beteiligen, erheblich ein. Gegenstand des Verfahrens war ein Passus über mittelbare Beteiligungen, also die Beteiligung einer politischen Partei an einer Körperschaft, die unmittelbar an einem Sender beteiligt ist. Ein solcher Sender wäre nur zugelassen worden, wenn die mittelbare Beteiligung der politischen Partei weniger als 10% der Kapital- oder Stimmrechtsanteile der Körperschaft betragen hätte.
Betroffen war von dieser Einschränkung nur die oppositionelle SPD. Diese ist über ihre Holding dd_vg zu 20,4% an der Verlagsgesellschaft Madsack in Hannover beteiligt. Madsack wiederum hält Beteiligungen an den privaten Radiosendern ffn, Hitradio Antenne und Rock Radio 21. Die Beteiligung der dd_vg hätte also um 10,4% auf 10% zurückgefahren werden müssen, um den Betrieb der drei Sender nicht zu gefährden.
Die Landesregierung trug vor, die Neufassung diene der Sicherung eines unabhängigen und ausgewogenen Rundfunks. Da die Rundfunkfreiheit anders als die Pressefreiheit keinen privatautonomen Tätigkeitsbereich schütze, sondern die "Freiheit des Rundfunks, also eines bestimmten Ordnungszustands im Interesse der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung", sei die Einschränkung zulässig. Denn dieser Ordnungszustand sei durch die Konzentration von Meinungsmacht bei politischen Parteien gefährdet.
Dieser Argumentation schloss sich der Staatsgerichtshof nicht an. Es sei zwar Aufgabe des Landesgesetzgebers, die Rundfunkordnung im Sinne des Schutzes einer ausgewogenen Berichterstattung zu gestalten; Die Gefahr des Einflusses politischer Parteien auf die Unabhängigkeit des Rundfunks rechtfertige aber nicht deren generellen Ausschluss von der Rundfunkfreiheit, welche auch auf politische Parteien als Grundrechtsträger anwendbar sei. Einem solchen faktischen Ausschluss aber sei die 10%-Schwelle bei mittelbaren Beteiligungen in der neuen Fassung des Mediengesetzes gleichgekommen. Sechs der neun Richter des Spruchkörpers wurden zwischen Juni 1990 und März 2003 ernannt, also zu einer Zeit, in der die SPD im zuständigen Wahlausschuss über die Mehrheit der Stimmen verfügte.

Philip Rusche, Greifswald