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Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat in einem Normenkontrollverfahren
am 6. September 2005 festgestellt, dass das Niedersächsische Mediengesetz
nicht mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes i.V.m. Art. 3 Abs. 2
der Niedersächsischen Verfassung vereinbar und damit nichtig ist (Aktenzeichen
StGH 4/04).
Das Verfahren wurde von der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag
angestrengt. Es richtete sich gegen die Neufassung, die das Gesetz im
Dezember 2003 von der frisch gewählten CDU/FDP-Landtagsmehrheit erhielt.
Die Änderung schränkte die Möglichkeit politischer Parteien, sich an privaten
Rundfunksendern zu beteiligen, erheblich ein. Gegenstand des Verfahrens
war ein Passus über mittelbare Beteiligungen, also die Beteiligung einer
politischen Partei an einer Körperschaft, die unmittelbar an einem Sender
beteiligt ist. Ein solcher Sender wäre nur zugelassen worden, wenn die
mittelbare Beteiligung der politischen Partei weniger als 10% der Kapital-
oder Stimmrechtsanteile der Körperschaft betragen hätte.
Betroffen war von dieser Einschränkung nur die oppositionelle SPD. Diese
ist über ihre Holding dd_vg zu 20,4% an der Verlagsgesellschaft Madsack
in Hannover beteiligt. Madsack wiederum hält Beteiligungen an den privaten
Radiosendern ffn, Hitradio Antenne und Rock Radio 21. Die Beteiligung
der dd_vg hätte also um 10,4% auf 10% zurückgefahren werden müssen, um
den Betrieb der drei Sender nicht zu gefährden.
Die Landesregierung trug vor, die Neufassung diene der Sicherung eines
unabhängigen und ausgewogenen Rundfunks. Da die Rundfunkfreiheit anders
als die Pressefreiheit keinen privatautonomen Tätigkeitsbereich schütze,
sondern die "Freiheit des Rundfunks, also eines bestimmten Ordnungszustands
im Interesse der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung",
sei die Einschränkung zulässig. Denn dieser Ordnungszustand sei durch
die Konzentration von Meinungsmacht bei politischen Parteien gefährdet.
Dieser Argumentation schloss sich der Staatsgerichtshof nicht an. Es sei
zwar Aufgabe des Landesgesetzgebers, die Rundfunkordnung im Sinne des
Schutzes einer ausgewogenen Berichterstattung zu gestalten; Die Gefahr
des Einflusses politischer Parteien auf die Unabhängigkeit des Rundfunks
rechtfertige aber nicht deren generellen Ausschluss von der Rundfunkfreiheit,
welche auch auf politische Parteien als Grundrechtsträger anwendbar sei.
Einem solchen faktischen Ausschluss aber sei die 10%-Schwelle bei mittelbaren
Beteiligungen in der neuen Fassung des Mediengesetzes gleichgekommen.
Sechs der neun Richter des Spruchkörpers wurden zwischen Juni 1990 und
März 2003 ernannt, also zu einer Zeit, in der die SPD im zuständigen Wahlausschuss
über die Mehrheit der Stimmen verfügte.
Philip Rusche, Greifswald
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