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Irreguläre Sanitäterin   Heft 1/2006
Medien und Meinungsmacht

Seite 32
 
 

Die Bundesrepublik Deutschland gestaltet ihre Außenpolitik offensichtlich unter ständiger Missachtung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen. Während im Juni letzten Jahres das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig "gravierende völkerrechtliche Bedenken" gegen die deutsche Unterstützung des angloamerikanischen Angriffkrieges gegen den Irak erhoben hatte (FoR 4/2005), wurde im November bekannt, dass das Sanitätspersonal der deutschen Streitkräfte in Afghanistan regelmäßig zum bewaffneten Einsatz abkommandiert wird und die Bundeswehr somit systematisch gegen grundlegende Normen des humanitären Kriegsvölkerrechts verstößt.
Den Sanitätseinheiten wurde die umfassende militärische Absicherung der Garnisonen der in Afghanistan stationierten multinationalen Truppen übertragen. Hierfür wurden sie sogar am Maschinengewehr eingesetzt, nachdem ihnen zuvor das Ablegen der Rotkreuzarmbinden befohlen worden war. Diese Praxis verstößt gegen eindeutige Regelungen der vier Genfer Abkommen von 1949 sowie den beiden Zusatzprotokollen von 1977, wonach das Sanitätspersonal unter strikten Schutz gestellt wird. Voraussetzung ist allerdings, dass SanitäterInnen "ausschließlich zum Aufsuchen, zur Bergung, Beförderung oder Behandlung von Verwundeten und Kranken oder zur Verhütung von Krankheiten sowie ausschließlich zur Verwaltung von Sanitätseinheiten und -einrichtungen" verwendet werden. Leisten SanitätssoldatInnen andere militärische Dienste, verlieren sie den ihnen garantierten Schutzstatus als NichtkombattantInnen. Deshalb dürfen ihnen im keinen Fall die Erkennungszeichen abgenommen werden.
Als eine Sanitätssoldatin ihren Kommandierenden gegenüber einwandte, dass ihre Verwendung zu den Sicherungsaufgaben nicht mit den Regeln des humanitären Völkerrechts in Übereinstimmung zu bringen sei, wurde sie umgehend vom Dienst suspendiert, nach Deutschland zurückgeschickt und mit einer Disziplinarbuße belegt. Die Beschwerde der Soldatin gegen diese Maßregelung wurde vom zuständigen Truppendienstgericht abgewiesen. Es warf der Soldatin vor, den Dienstbetrieb gestört zu haben, und bescheinigte der Sanitäterin, dass ihr Handeln "ein bedenkliches Licht auf ihren Charakter" werfe.
Das Verteidigungsministerium bestätigte diese obskure Rechtsauffassung. Deutschlands Truppen seien in Afghanistan nicht in einem internationalen bewaffneten Konflikt tätig, demnach würde sich hier auch nicht der Anwendungsbereich des Kriegsvölkerrechts eröffnen. Die Leugnung des Kriegszustandes hat allerdings nicht nur zur Folge, dass man das Sanitätspersonal zu Waffengängen freisetzen kann, sondern auch, dass man sich in den als "Auseinandersetzungen mit irregulären Kräften" bezeichneten Gefechten ebenfalls nicht an das internationale Kriegsrecht gebunden fühlen muss.

Stephen Rehmke, Hamburg