Philipp Gehrmann |
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Aktive Sterbehilfe ist ein Irrweg | Heft
3/2006 Ausschließen durch Einschließen: Kriminalpolitik Seite 79 |
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(s. auch den Infokasten zum Begriff Sterbehilfe) Für die BefürworterInnen der aktiven Sterbehilfe darf das in der kulturellen Entwicklung der Menschheit tief verankerte Tötungsverbot nicht uneingeschränkt gelten. Die Würde des Menschen gebiete die Tötung, wenn er sich seinem Lebensende nähert, unerträgliche Schmerzen erleidet und die Tötung von Dritten verlangt. Indem man Autonomie und Selbstbestimmung des Menschen als zentrales Argument für die Sterbehilfe bemüht, nimmt man direkten Bezug auf die Ziele der Aufklärung. Der Mensch soll aus einer (angeblichen) Unmündigkeit befreit werden, indem er zum Herrn über den Tod erklärt wird. Dabei traut man ihm den richtigen Umgang mit dieser neu gewonnen Freiheit offenbar nicht zu. Anders lassen sich die Bedingungen, die an die Erlaubnis zur aktiven Sterbehilfe geknüpft werden, nicht erklären. Noch verständlich mag sein, dass zumindest auf dem Papier hohe Anforderungen an die Gesundheit des Geistes der Sterbewilligen und die Autonomie der Entscheidung gestellt werden. Aber weshalb müssen die zum Suizid entschlossenen unheilbar erkrankt sein und unerträgliche Schmerzen erleiden? Wieso muss dies ärztlich bescheinigt werden? Man stelle sich Situationen vor, in denen Sterbewillige nach subjektivem Empfinden unerträgliche Schmerzen erleiden, von ärztlicher Seite allerdings mitgeteilt bekommen, dass dem nicht so sei und daher dem Todeswunsch leider nicht nachgekommen werden könne. Die Erfahrungen mit der legalisierten Sterbehilfe in Holland zeigen, dass solche Vorgänge keinesfalls die Ausnahme darstellen. Ist das die Selbstbestimmung des Menschen, wie sich die BefürworterInnen der Sterbehilfe diese vorstellen? Die Erfahrungen mit der staatlich anerkannten aktiven Sterbehilfe in Holland bzw. der organisierten passiven Sterbehilfe in der Schweiz sind aber noch aus anderen Gründen höchst aufschlussreich. So hat etwa die "Schweizer Akademie für medizinische Wissenschaften" im Juni 2003 entgegen ihrer bisherigen Position ÄrztInnen empfohlen, an der Vorbereitung zum Suizid mitzuwirken. Begründet wird dies mit dem demographischen Wandel, der eine Rationierung der für das Gesundheitswesen zur Verfügung stehenden Ressourcen unerlässlich mache. Die Nähe zum sozialdarwinistischen Gedankengut um 1900 ist unverkennbar, auch wenn nicht mehr der "gesunde Volkskörper", sondern der Sachzwang der Ökonomie die theoretische Basis bildet. Anonyme Umfragen unter holländischen ÄrztInnen ergaben, dass pro Jahr ca. 900 Menschen zumindest ohne ihre ausdrückliche Einwilligung legal getötet werden. Dabei berufen sich die ÄrztInnen nicht auf den mutmaßlichen Willen der Getöteten, sondern auf die in ihren Augen fehlende Lebensqualität und auf die Überlastung der Angehörigen. Keine Pflicht zum Leben Es soll an dieser Stelle nicht bestritten werden, dass die technischen
Möglichkeiten der Intensivmedizin die Gesellschaft zwingen, Antworten
auf Fragen zu finden, die in der bisherigen kulturgeschichtlichen Entwicklung
ohne Vorbild sind. Das Recht auf Leben scheint zumindest für BürgerInnen
mit europäischem Pass erstmals schrankenlos gesichert. Man beginnt sich
zu fragen, ob mit diesem Recht auch eine Pflicht zu leben korrespondiert.
Eine solche normiert der deutsche Gesetzgeber jedenfalls nicht, denn der
Suizid ist grundsätzlich straflos. Selbst die aktive Sterbehilfe ist gemäß
§ 216 StGB "nur" mit einer Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren bewehrt.
"Nur", weil bereits ein Wohnungseinbruch deutlich strenger bestraft werden
kann. Philipp Gehrmann promoviert in Berlin
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