|  | Alle Beschuldigten müssen, bevor sie von der Polizei (direkt oder telefonisch) 
        befragt werden, über Tatvorwurf und Schweigerecht aufgeklärt werden - 
        andernfalls ist die Aussage unverwertbar. Wird die Aufklärung unterlassen, 
        die Befragung aber durch eine instruierte Privatperson durchgeführt und 
        hört die Polizei über eine zweite Hörmuschel mit, darf die Aussage verwendet 
        werden und liegt auch keine Telefonüberwachung vor - dies entschied jetzt 
        der große Strafsenat des Bundesgerichtshofes (BGH). Mit der Entscheidung hat sich der Große Senat gegen den Großteil der Literatur 
        gewendet und den Ermittlungsbehörden für die Zukunft die Ausarbeitung 
        eines "ganzen Systems von Fallen", so der Strafprozeßrechtler Claus Roxin, 
        ermöglicht. Unterstützt wurde auch die Sicht des Generalbundesanwalts, 
        der in der befragenden Person keinen Spitzel sah, sondern "den aktiven 
        Bürger, der nicht nur passiv seine Zeugenpflicht wahrnimmt".
 Einig ist man sich insoweit, als es sich bei einer privaten Befragung 
        um keine Vernehmung handelt und die Belehrungspflicht aus § 136 Abs. 1 
        Strafprozeßordnung (StPO) nicht direkt anwendbar ist. Der Große Senat 
        stellt sich im folgenden auf den Standpunkt, daß die Befragung durch keine 
        Norm verboten wird, die Gegenansicht meint, daß die Befragung durch keine 
        Norm erlaubt wird. Eine Ermächtigungsgrundlage ist aber nach dem System 
        der StPO zwingend erforderlich, die vom Prinzip der "offenen Ermittlungen" 
        ausgeht und Ausnahmen wie das Abhören des Telefons oder Verdeckte Ermittler 
        gesondert aufführt.
 Zudem ist die Belehrungspflicht aus § 136 Abs. 1 StPO grundrechtlich durch 
        das Rechtsstaatsprinzip verbürgt. Nach Interpretation des BGH soll der 
        Grundsatz nur sicherstellen, daß der Beschuldigte aus Ehrfurcht vor der 
        Polizei nicht meint, er wäre zur Aussage verpflichtet. Da im vorliegenden 
        Fall der Beschuldigte nichts von der Polizei wußte, könne er auch keine 
        Pflicht angenommen haben.
 Dies ist doppelt falsch: Erstens subsumiert der BGH inkonsequent den vorher 
        abgelehnten § 136 StPO. Zweitens könnten mit diesem Argument alle PolizistInnen 
        ihre Identität verschweigen und Fragen stellen, ohne daß die Beschuldigten 
        sich verpflichtet fühlen müssen -genau das aber verbietet § 136 StPO. 
        Mit der Norm sollen die Beschuldigten nämlich auch über das besondere 
        Gewicht ihrer Aussage und die Folgen aufgeklärt werden. Und da kann es 
        keinen Unterschied machen, ob PolizistInnen oder abgerichtete Dritte die 
        Fragen stellen. Aus diesem Grund sind VertreterInnen einer dritten Ansicht 
        der zutreffenden Meinung, daß das Belehrungsgebot analog heranzuziehen 
        ist, zumal wegen des "offenen Prinzips" der StPO eine Regelungslücke vorliegt.
 Achim Berge, Freiburg  Quellen:  (zum Vorlagebeschluß des 5. Senats) Neue Zeitschrift für Strafrecht 1996, 
        200 ff. mit Anm. Fezer 289 f.;(zum Urteil des Großen Senats) Tageszeitungen vom 24.7.96
 (zum Ganzen) Dencker, Friedrich, Über Heimlichkeit…, Strafverteidiger 
        1994, 667ff.
    |  |