Heft 4 / 1996:
Law Online
Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft
xxx

Forum Recht Redaktion Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zum ersten Artikel des Forums Zur Rubrik Ausbildung Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft
 

Erhöhte Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen, mehr Arbeitsplätze zur Entfaltung von Intelligenz und Kreativität, flachere Hierarchien, entschlackte Verwaltungsebenen - das alles verspricht sich und uns EG-Kommissar Bangemann von der Informationsgesellschaft der Zukunft. Derartiger Heilsverkündigungen bedürfte es eigentlich gar nicht, scheinen doch alle von der schönen neuen Kommunikationswelt beseelt: Initiativen glauben, im Internet den herrschaftsfreien Diskurs praktizieren zu können, die bayerische Landesregierung träumt postsozialistisch vom kostenlosen Internetzugang für alle; über Menschen, die wir auf der Straße keines Blickes gewürdigt hätten, können wir auf den "www private homepages" im "global village" dann Dinge erfahren, die wir nie über sie wissen wollten… Auch die Wirtschaft jammert nicht nur über den Standort Deutschland, sondern investiert: Z. B. Mannesmann Unsummen in 40.000 km maroder Diensttelefonleitungen der Bahn AG, um im europäischen Kampf der Telekommunikationskonzerne gerüstet zu sein. Und schließlich: Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, Arbeitsplätze - aber nicht für alle, es sollen nämlich die langweiligen und eintönigen, die mechanischen und gefährlichen Tätigkeiten verschwinden, wie EG-Kommissar Bangemann in seinem Report zur europäischen Informationsgesellschaft versichert. Da können die Betroffenen eigentlich doch froh sein, daß sich ihr öder Arbeitsplatz ins Virtuelle verflüchtigt, so haben sie genug Zeit, um im World Wide Web durch die Stellenanzeigen zu surfen oder ihre Cyber-Pizza per Tele-Shopping zu bestellen und dieselbe mit electronic cash zu bezahlen, was auch vielmehr Spaß macht, als mit echtem Geld, ehrlich! Dumm nur, daß man noch bezahlen muß, sogar für den Fußball abends im pay-tv.
Apropos Fußball: "Wir müssen die Räume zustellen" - für den rechtsfreien Cyber-Raum dachte sich das vor Berti wohl auch schon die Münchener Staatsanwaltschaft, als sie den Internet-Provider Compuserve medienwirksam mit einem Ermittlungsverfahren wegen der Verbreitung von Kinderpornographie überzog. Auch in den USA reagierte man auf derartige unerwünschte Umtriebe im Februar mit dem "Communications Decency Act", der Sitte und Anstand im Netz garantieren sollte. Ein Bundesgericht in Pennsylvania sah in letzterer Aktion jedoch ein böses Foul gegen die Meinungs- und Pressefreiheit. Erste (Um-)steuerungsversuche mit dem "klassischen" Instrumentarium des Strafrechts endeten bislang also eher im Abseits.
Legen wir nun die Fernbedienung beiseite und greifen zu Forum Recht: Die rechtspolitische Dimension der Entwicklung zur Informationsgesellschaft erschöpft sich nicht in dem Ruf nach Meinungsfreiheit im Internet oder nach Straflosigkeit von Datenverschlüsselung. Es besteht auch der Bedarf nach Regulierung, z. B. im Wirtschaftsrecht, um auf dem Informations- und Kommunikationsmarktes den Gefahren der Konzentration und Kartellbildung zu begegnen. In der Folge stellen sich grundsätzlichere Fragen: Ist die Entwicklung zur Informationsgesellschaft überhaupt durch Recht zu steuern? Wenn ja: wie und in welchen Bereichen? Wer profitiert vom Versagen einer solchen Steuerung? Einige Antworten finden sich in diesem Heft.