Heft 1 / 2002:
könnte besser sein
Sozialrecht
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Entschuldung jetzt auch für brave Arme 1
Anmerkungen zur Änderung der Insolvenzordnung und zur Beratung von SchuldnerInnen
 

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Zum 1. Dezember 2001 ist die Änderung der Insolvenzordnung (InsO) in Kraft getreten. 2 Die gravierendsten sozialen Ungerechtigkeiten, die die InsO von 1999 mit sich brachte, wurden behoben. Die InsO war angetreten, um die sozialen Folgen von Kreditwirtschaft und Wirtschaftsrezession aufzufangen. Große Teile der zwei Millionen verschuldeten Haushalte in Deutschland 3 sollten mit Hilfe der Restschuldbefreiung insbesondere im Verbraucherinsolvenzverfahren entschuldet und dem ausweglosen Abstieg von Verschuldung über Arbeitsplatzverlust, Motivationslosigkeit bis zu Sozialhilfe bis in das Rentenalter hinein entrissen werden. Diese hehre Idee scheiterte zunächst.

Sechs statt sieben Jahre und zwei statt drei Jahre

Das Verbraucherinsolvenzverfahren war zu lang, da zusätzlich zu den sieben Jahren "Wohlverhaltensperiode" ein Jahr Vorlauf für das Sortieren der Unterlagen und einen außergerichtlichen Einigungsversuch hinzukam. 4 Nach Antragsstellung ließen sich dann die Gerichte und die Insolvenzverwalter alle Zeit der Welt. Bis das Insolvenzverfahren endlich abgeschlossen wurde und die eigentlichen sieben Jahre losgingen, waren meist zwei Jahre vergangen. 5

Die biblischen sieben Jahre "Wohlverhaltensperiode" der alten InsO wurden nun auf sechs Jahre verkürzt. Es bleibt aber im Verbraucherinsolvenzverfahren bei den Vorverfahren, dem außergerichtlichen und gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren. Jedoch ist die Zeit ab Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahren nun nach § 287 InsO bei den sechs braven Jahren mitzuzählen. In den sechs Jahren sind nun die langen Bearbeitungszeiten der Insolvenzverwalter enthalten. Die alte Regelung hatte SchuldnerInnen benachteiligt, bei denen der Insolvenzverwalter noch etwas verwerten konnte und daher mehr Zeit benötigte. Das Verfahren verkürzt sich also effektiv von neun auf ca. sieben Jahre um durchschnittlich zwei Jahre. 6

Die Banken sichern sich den Zugriff auf das pfändbare Einkommen durch den Vorrang von Abtretungen. Durch den Vorrang nach § 114 InsO erhielten die AbtretungsgläubigerInnen, also die Banken, über drei Jahre das pfändbare Einkommen, ohne daß sie dieses mit den übrigen GläubigerInnen teilen mussten. Dieser Vorrang wurde nun von drei auf zwei Jahre verkürzt. Forderungen nach der kompletten Abschaffung des Abtretungsvorrangs wurden nicht umgesetzt. Zu groß ist die Angst, die heiligen Kühe der Sicherungsrechte einfach den volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten zu opfern.

Stundung statt abgelehnter Prozeßkostenhilfe

Wurden SchuldnerInnen noch nicht von den langen Verfahren abgeschreckt, so verloren sie meist im gerichtlichen Verfahren aufgrund der fehlenden Finanzierung alle Hoffnung. Zwar verweist die InsO auf die Zivilprozeßordnung (ZPO), jedoch wurde die Prozesskostenhilfe von den meisten Gerichten nicht gewährt, da es sich nicht um ein Verfahren zwischen verschiedenen Parteien handele und daher kein faires Verfahren zwischen Parteien abzusichern sei. Diesem Zweck diene die Prozesskostenhilfe, weshalb der allgemeine Verweis auf die ZPO nicht ausreiche. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Ansicht. 7 Insoweit verwehrte die alte InsO den SchuldnerInnen ohne reiche Oma, die großzügig die Prozeßkosten von durchschnittlich 1500 Euro übernimmt, das gerade für diese Bevölkerungsgruppe eingeführtes Entschuldungsverfahren. 8

Die weitreichenste und auch revolutionärste Änderung ist daher die Stundung der Verfahrenskosten nach § 4a-d InsO n.F. 9 Der Kostenvorschuß wird gestundet, eine bisher unbekannte Lösung für das Problem der Gerichtskosten. Nun werden die Gerichte das Verfahren auch durchführen, wenn keine Verfahrenskosten gezahlt werden können. Eine Entschuldung im Insolvenzverfahren wird nicht mehr an der Armut scheitern. Die InsO wird ihre eigentliche sozialpolitische Wirkung entfalten können: die Integration von Verschuldeten, die bisher bis zu 30 Jahre an der Armutsgrenze lebten. Die Stundung wird vor allem die Belastung der GläubigerInnen erhöhen. Wenn sie sich nicht auf eine Außergerichtliche Einigung einlassen, werden die Kosten des Verfahrens zunächst aus dem verwerteten Vermögen und dem abgetretenen Einkommen des/r SchuldnerIn bezahlt. Erst wenn die Kosten bezahlt sind, wird die erste Mark an die GläubigerInnen fließen, soweit keine Abtretung vorliegt, die vorrangig zu berücksichtigen ist.

Für die GläubigerInnen bedeutet dies noch weniger Geld im Insolvenzverfahren und einen höherer Anreiz, sich außergerichtlich oder doch zumindest gerichtlich mit dem/der SchuldnerIn zu einigen. Damit gibt es nun auch eine echte Chance, die Gerichte zu entlasten.

Gerichtliche Veröffentlichungen im Internet

Der Aufruf an GläubigerInnen, ihre Forderungen im Insolvenzverfahren anzumelden, und die Restschuldbefreiung müssen veröffentlicht werden. Die Verfahrenskosten sollen zusätzlich verringert werden, indem die Möglichkeit einer Internetveröffentlichung erstmalig eingeführt wurde. Die datenschutzrechtlichen Folgeprobleme sind bisher kaum diskutiert. Zwar wurde versucht, durch die Einführung einer Einschränkung von Kopiermöglichkeiten aus dem Internet und einer Löschungsfrist den Datenschutz sicherzustellen. 10 Jedoch wird dies Inkassounternehmen nicht daran hindern, die Daten abzuschreiben. Bisher mussten sie sich noch die Daten aus den Zeitungen wie der ZinsO zusammenklauben.

Nichtüberprüfbare Entscheidungen

Die Gesetzgebenden versuchen auch im Insolvenzverfahren durch nicht rechtsmittelbewährte richterliche Entscheidungen die Rechtsprechung billiger und schneller zu machen. Bisher war bereits die Antragsrücknahmefiktion als unanfechtbare gesetzliche Folge eines unvollständigen Antrages ausgestaltet. In dem Änderungsgesetz wurde das Schuldenbereinigungsplanverfahren fakultativ ausgestaltet. Ob ein Vergleichsverfahren sinnvoll ist, steht nun im freiem richterlichem Ermessen und die Wahl der RichterInnen ist bis auf gröbste Rechtsverletzungen nicht überprüfbar.

Stundung auch im Regelinsolvenzverfahren

Die Restschuldbefreiung kann nicht nur im Verbraucherinsolvenzverfahren, sondern auch im normalen Unternehmenskonkursverfahren (RegelinsO) von natürlichen Personen erlangt werden. Bisher waren die meisten Insolvenzverfahren wegen Masselosigkeit eingestellt worden. Die InsolvenzverwalterInnen prüften das vorhandene Vermögen und stellten meist fest, daß dieses nicht ausreicht, die Verfahrenskosten zu decken. Die Stundung der Verfahrenskosten gilt auch für das RegelinsO. Daher werden die meisten Verfahren nicht mehr wegen Masselosigkeit eingestellt werden, wenn der/die SchuldnerIn die Befreiung von ihren/seinen Schulden beantragt. Die fette Fische gewöhnten Insolvenzverwalter (Insolvenzverwalterinnen sind absolute Ausnahmen) werden sich daher an Schwärme kleiner Fische gewöhnen müssen. Sie werden auch z.B. die kleinen KioskbesitzerInnen mit drei Aushilfen abwickeln müssen. Vor diesem Hintergrund werden die Diskussionen um die Änderung der Bestellungen zum InsolvenzverwalterInnendasein beschleunigt werden und vielleicht in Zukunft ohne Einschränkungen der Berufsfreiheit nach Art. 3 Abs. 1 und 12 Abs.1 GG gehandhabt. 11 Bisher sind die InsolvenzrichterInnen frei in der Bestellung der InsolvenzverwalterInnen nach § 56 InsO. Diskutiert wird eine gesetzliche Regelung von Zulassungsvoraussetzungen und Auswahlkriterien bei die Bestellung der InsolvenzverwalterInnen. 12 Außerdem werden die satten Gebühren der InsolvenzverwalterInnen die stundende Staatskasse sicher bald von einer Änderung der Gebührenordnung für InsolvenzverwalterInnen überzeugen.

Engpass Beratung

Die Nachfrage nach Beratung zum Insolvenzverfahren wird mit der Änderung massiv ansteigen. Die Kostenhürde des Verfahrens ist mit der Stundung gefallen, und schon wird die Sicht frei auf einen weiteren Steilanstieg auf dem Weg zur Restschuldbefreiung: die Beratung zum Insolvenzverfahren durch AnwältInnen oder Schuldenberatungsstellen wird nicht finanziert.

Bisher hat sich die Anwaltschaft kaum um das zahlungsunfähige Klientel gekümmert. Die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung sieht Gebühren für Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe - die zudem nur in Ausnahmefällen gewährt wird- vor, die nicht kostendeckend sind. 13 Auch die Beiordnung von RechtsanwältInnen ist nur vorgesehen, wenn die GläubigerInnen auch anwaltlich vertreten sind und es zu Streitigkeiten kommt. So kommt es, daß eine Schuldnerin nachweisen konnte, daß keinE RechtsanwältIn in Bayern bereit ist, ihr eine Bescheinigung über einen außergerichtlichen Einigungsversuch zu Beratungshilfepreisen auszustellen. Erstinstanzlich wurde Bayern bereits verpflichtet, der Schuldnerin eine Schuldenberatungsstelle zu nennen, die tatsächlich eine Bescheinigung über den außergerichtlichen Einigungsversuch auszustellen bereit ist. 14 Interessant ist die Frage, ob einE RechtsanwältIn verpflichtet ist, zu Beratungshilfepreisen zu arbeiten.

Die anwaltliche Beratung ist jedoch auch im Hinblick auf das sozial schwache Klientel im Insolvenzverfahren problematisch. Oft durchbricht erst die sozialpädagogischen Beratung die Schallmauer einer Schuldenkarriere mit der nötigen Nachhaltigkeit, so daß die Entschuldung wieder zur Integration des Menschen führt.

Die Regierung des Freistaates Bayern hatte sich schon während der InsO-Gesetzgebung gegen das Gesetz gesperrt und versucht nun, die Anwendung des Insolvenzverfahrens durch die mangelnde Finanzierung der Beratung zu verschleppen. Wie in den meisten Bundesländern wird eine Schuldenberatung mit dem Verweis auf das System der Prozesskostenhilfe nicht finanziert. Ausnahme ist Berlin, wo immerhin ca. 10 BeraterInnen pro 300.000 EinwohnerInnen finanziert werden. Das Ziel auch ehemalige Gewerbetreibende zu entschulden, wird an den wenig sozialpolitisch interessierten Insolvenzverwaltern scheitern. Wenn die Unterlagen nicht in der erforderlichen Form vorgelegt werden, werden die Gewerbetreibenden ihre Restschuldbefreiungsanträge nicht durchsetzen können. Für sie gibt es bisher jedoch keinerlei Beratungsangebot außer dem anwaltlichen mit den skizzierten Mängeln. In diese Versorgungslücken stoßen unseriöse SchuldenreguliererInnen ohne Rechtsberatungsbefugnis, um einen schnellen Euro zu machen. Sie lassen sich bezahlen, beraten schlecht oder gar nicht und verschaffen ihren KundInnen nicht die erhoffte Entschuldung. 15 Abgesehen davon können sie die für den Antrag erforderliche Bescheinigung über den außergerichtlichen Einigungsversuch aufgrund der fehlenden Anerkennung als geeignete Stelle nach § 305 Abs. 2 InsO nicht ausstellen.

Die Schuldenberatung ist die soziale Auffangorganisation, die SchuldnerInnen über die finanziellen und sozialpädagogischen Lücken in der anwaltlichen Beratung hinweghelfen soll. Sie bietet sich im Verhältnis zur Anwaltschaft im Bereich der Beratung von SchuldnerInnen an, da hier die Hemmschwelle anwaltliche oder gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen oft nicht nur finanziell begründet ist. 16 Die Heranführung an fachlichen Rechtsrat ist nicht nur ein Marketingproblem, wie man das beim Lesen der Anwaltsblätter meinen könnte. Sie ist auch ein soziales Problem. Die Schuldenberatung ist eine der Schnittstellen, die eine Anbindung von Bevölkerungsteilen, die nicht mehr in den Rechtsstaat integriert sind, ermöglicht, wie andere problemorientierte soziale Beratungen auch. Die Einsparungen am Sozialen des Staates machen sich im Rechtsystem mehr und mehr bemerkbar. Eine Diskussion über die finanzielle Absicherung sozialer Rechtsberatung muss diese veränderten Umstände berücksichtigen.

Die soziale Absicherung des Rechtsstaates ist jedoch nicht nur bei der Beratung von SchuldnerInnen einzufordern. Zu den veränderten Umständen gehört es auch, daß Rechtsschutzversicherungen nicht mehr bezahlt werden können und AnwältInnen Sachen mit kleinen Streitwerten nicht mehr bzw. nicht mit der nötigen Sorgfalt bearbeiten. Damit zieht der Beratungsnotstand auch in die allgemeine Rechtsberatung ein. Ganz abgesehen von dem Notstand in Verwaltungs- und Strafrechtsverfahren, in denen keine Prozesskostenhilfe vorgesehen ist. Beiordnungen von RechtsanwältInnen sind im Strafrecht auch nur bei Delikten mit einer Strafandrohung über einem Jahr vorgesehen. Die Prozesskostenhilfe sollte für alle Rechtsgebiete gewährt werden. Ferner sollte die Beratung, die eine Abschätzung der Chancen ermöglicht und präventiv zu rechtlichen Risiken und Nebenwirkungen aufklärt, ausgebaut werden. Im Mietrecht hat sich hier ein gutes flächendeckendes Netz von Beratungsstellen entwickelt. Verbraucherverbände sollten sich weiter ausdifferenzieren und ähnliche Beratungsangebote entwickeln.

Indirekte Strafen

Brav müssen die AntragstellerInnen weiterhin sein. Die Versagung der Restschuldbefreiung kann nach § 290 InsO weiterhin von den GläubigerInnen gefordert werden, wenn SchuldnerInnen eine Konkursverschleppung o.ä. in ihrem Bundeszentralregisterauszug stehen haben. Daneben bleiben die Versagungsgründe, zum Beispiel eine betrügerische Krediterlangung oder die verschwenderische Jamaikareise für 2500 Euro ein Jahr vor Antragstellung, für viele ein Stolperstein auf dem Weg zur Restschuldbefreiung. 17

Als größter Pferdefuß im Insolvenzverfahren bleiben nach der InsO-Änderung nach § 302 InsO die ausgenommenen Forderungen. Ausgenommen sind Geldstrafen, Bußgelder und Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung (§ 823 Bürgerliches Gesetzbuch). Daß die Geldstrafe ihren Strafcharakter behalten soll, mag in der Logik des Strafens Sinn machen. Jedoch sind mit den Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung auch viele mit Straftatbeständen zusammenhängende Forderungen von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Selbst wenn die Straftat aus dem Bundeszentralregister (BZR) gelöscht ist, werden StraftäterInnen weiterhin zivilrechtlich wegen der Tatfolgen verfolgt. Die Schulden aus der Tat sind von der Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren ausgenommen und können bis zur Verjährung geltend gemacht werden. Der 17jährige Bankräuber wird mit 40, obwohl er inzwischen bereits als Strafverteidiger für Recht und Gesetz arbeitet, da seine Straftat aus dem BZR gelöscht wurde, immer noch wegen der Kosten der Fensterglasreparatur der Bank von mehreren 10.000 Euro vollstreckungsrechtlich verfolgt werden. Von diesen Schulden können SchuldnerInnen auch im Insolvenzverfahren nicht restschuldbefreit werden. Hier zeigt sich, daß das Denken der deutschen GesetzgeberInnen in Schuld und Sühne verhaftet ist. Eine Forderung, die nach einem erfolgreichem Insolvenzverfahen bestehen bleibt, wird aber weiterhin schwer durchsetzbar sein, weil die Motivation, ein hohes Einkommen zu erwirtschaften, gering bleibt. Das Pochen auf Ansprüchen offenbart sich hier als volkswirtschaftliche Dummheit.

Ein Tropfen auf diesen heißen Stein ist die neu eingeführte Anmeldepflicht: bei der Anmeldung ihrer Forderung beim Insolvenzverwalter haben GläubigerInnen nach §§ 174, 175 InsO mitzuteilen, ob es sich um eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung handelt. SchuldnerInnen werden auf die Möglichkeit des Widerspruchs gegen den Forderungsgrund der unerlaubten Handlung hingewiesen. Die GläubigerInnen müssen ihrenForderungsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung dann klageweise durchsetzen.

Volkswirtschaftlich ist es meines Erachtens sinnvoll, alle Forderungen in die Restschuldbefreiung miteinzubeziehen. Nur entschuldete SchuldnerInnen haben die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs, der Sozialausgaben mindert und Steuerzahlungen denkbar macht. Als Kompromiß könnten Rechtsprechung oder Gesetzgebung nachbessern, indem die Herausnahme der Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung aus der Restschuldbefreiung befristet wird. Zum Beispiel könnten sich die Fristen, bis wann eine Forderung im Insolenzverfahren ausgenommen ist, an der Löschung der dazugehörigen Straftaten im Bundeszentralregister orientieren. Die Forderung für die Glasreparatur der Bank aufgrund der Tat des 17jährigen Bankräubers würde 15 Jahren nach seiner Verurteilung mit der Löschung im Bundeszentralregister auch im Insolvenzverfahren restschuldbefreiungsfähig.

Leben ohne InsO mit Schulden: Pfändungsfreigrenzen

Für alle, die noch nicht zahlungsunfähig sind, kein Insolvenzverfahren durchführen können oder wollen oder von einem Teil ihrer Schulden nicht restschuldbefreit werden können, bleibt ein Leben mit den erhöhten Pfändungsfreigrenzen. 18 Zum 1. Januar 2002 wurden die seit über 10 Jahren unveränderten Grenzen, bis zu denen das Einkommen gepfändet werden kann, nach § 850 c ZPO an die veränderten Lebensbedingungen und die Inflationsrate angepasst werden. Der niedrigste Pfändungsfreibetrag wurde von 1.220 auf 1.800 DM angehoben. Diese Erhöhung entspricht dem durchschnittlichen Sozialhilfebedarf inklusive einmaliger Beihilfen. Wichtigste Forderung wird daher in Zukunft das Recht auf ein Girokonto sein, das SchuldnerInnen oft gekündigt wird, wenn eine Kontopfändung höhere Bearbeitungskosten bei der Bank produziert.

Fazit

Insgesamt ist die Insolvenzordnung ein Gesetzesprojekt dessen Chancen sich langsam verwirklichen. Es zeigt sich, daß erst die administrative und sozialpolitische Umsetzung Gesetze in der gewünschten Art und Weise wirksam werden läßt. Die finanziellen Schranken vor dem Insolvenzverfahren wurden geöffnet. Allerdings bleibt es ein Hindernislauf, eine Beratung für das Verfahren zu finden. Für die Zukunft ist die Finanzierung der Beratung von SchuldnerInnen entscheidend für den Erfolg des Projektes. Rechtspolitisch wird es darauf ankommen eine soziale Rechts- und Wirtschaftsberatung aufzubauen. Schuldenberatungsstellen und andere Verbraucher- und sozialen Beratungen sollten als institutionelles Schmiermittel zwischen Gesellschaft und Rechtssystem eine fachlich spezialisierte Beratung anbieten.

Judith Dick lebt in Berlin. Sie arbeitet als Schulden- und Insolvenzberaterin.

Anmerkungen:

1 vgl. den Artikel der Autorin: Dick, Entschuldung (nur) für brave Reiche, in: Forum Recht (FoR) 1999, 57.
2 Bundestags-Drucksache (BT-Drs.) 689/01 (Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze); Zeitschrift für Insolvenzordnung (ZinsO) 2001, 601-605 (Bundestagsentwurf).
3 GDP-Forschungsgruppe, Gutachten im Auftrag der Bundesregierung zur Verschuldungssituation in Deutschland, 2001.
4 Zum Ablauf des Verbraucherinsolvenzverfahrens siehe hier (pdf-Datei).
5 Dick FoR 1999, 57.
6 vgl. Pape, Bevorstehende Änderungen der InsO nach dem InsOÄndG 2001, in: ZinsO 2001, 593ff; Gerigk, ZinsO 2001, 931, insb. 936 ff.
7 BGH, Beschluß vom 14.12.2000 - IX ZB 105/00; ZinsO 2001, 165; Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht (NZI) 2001, 191.
8 Dick FoR 1999, 57.
9 vgl. Zwischenbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Insolvenzrecht", in: ZinsO 2000, 321.
10 vgl. Pape ZinsO 2001, 593 ff.
11 vgl. Smid, Insolvenzordnung, 1999, § 56 Rdnr. 13; Krämer/ Menke, Stellungnahme des Verfassungsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins e.V. zur Verfassungsbeschwerde von Dr. Fritz Binz, 1 BvR 135/00.
12 vgl. hierzu die Malangré-Kommission der EU-Kommission.
13 BT-Drs. 689/01, Brago-Änderung aufgrund der InsO-Änderung.
14 Verwaltungsgericht München vom 25.01.2001, Gz: M 29 K 99.2118.
15 vgl. Absolution für Abzocker, in Spiegel Nr. 39/1999, 130 (UWG-Urteil gegen Dr. Meyers).
16 Zur Zukunft der Rechtsberatung allgemein, Henssler Anwaltsblatt (AnwBl) 2001, 526 ff.
17 Dick FoR 1999, 57.
18 BT-Drs. 14/6812 (Debatte über Pfändungsfreigrenzen im Bundestag).

Literatur:

Ahrens/ Grote u.a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur InsO, 2. Aufl., 2001
Kohte/Grohte, Verbraucherinsolvenzverfahren, 1999
Verbraucherzentrale NRW, Weg mit den Schulden, 1999

Internet:

www.forum-schuldnerberatung.de
www.neue-armut.de
www.bag-schuldnerberatung.de