Heft 4 / 1996: Law Online Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft |
Judith Dick | |
Als die Bücher starben und alles Date ward | |
Rechtliche Dimensionen des Übergangs von der Buch- zur Mediengesellschaft |
Nur in ein Buch kann man Eselsohren machen. Datenbanken sieht man die
Spuren des Gebrauchs nicht an. Die neuen Medien stellen an Menschen und
Gesetze neue Anforderungen. Das Urhebergesetz (UrhG) soll traditionell
das geistige Eigentum schützen. Die Möglichkeiten, an geistigen Werken
teilzuhaben, fächern sich auf. Texte, Bilder oder gar Videos können digitalisiert
und ins Datennetz eingegeben, in der ganzen Welt gelesen, geladen und
kopiert werden. Buchpreisbindung für CD-ROM? Nach § 16 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) legt der
Verleger den Endverkaufspreis seiner Erzeugnisse fest. Sinn der Buchpreisbindung
ist es, in allen Regionen ein breites Angebot an Büchern zu sichern. Das
Kammergericht Berlin (KG) hatte zu entscheiden, ob die CD-ROM ein Verlagserzeugnis
im Sinne des § 16 GWB ist und daher auch preislich gebunden ist. Nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kommt es auf die graphische
oder photomechanische Vervielfältigung der Erzeugnisse an. Das KG stellte
die CD-ROM der Schallplatte gleich, die nicht unter die Verlagserzeugnisse
fällt. Komplizierte Apparate seien zum Lesen des neuen Mediums nötig und
es sähe aus wie eine silberne Single. Also könne sie auch nicht preislich
gebunden sein. Das weinende Auge der RichterInnen blickte auf Opas Lesestunde
im Schaukelstuhl. Solche sensorischen Reize könnten die CD-ROMs nicht
auslösen. Virtuelles Urheberrecht Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, daß UrheberInnen aus ihren Werken
auch im Datenflow Früchte ziehen wollen. LeserInnen schmökern an Bildschirmen
oder klauben Zitate hier und da zusammen. Zunächst wurde das Kopieren
von Papier und Kassetten einfach. Die EigentümerInnen des Geistigen entwickelten
angepasste Abrechnungsmodalitäten. Auf Kopierer und Leerkassetten zahlt
man pauschale Urheberrechtsabgaben, die an Verwertungsgesellschaften wie
die Gema weitergeleitet werden. Diese verteilen die Einnahmen an die UrheberrechtsinhaberInnen.
Bei CD-ROMs oder Leer-CDs ist ein ähnliches Verfahren leicht möglich.
Die Rechnung bitte! Die Abrechnung von Urheberrechtsgebühren ließe sich über die - Online leicht zu bewerkstellende - Kontolle der BenutzerInnen gewährleisten. Sollte dann für jedes kurze Hineinschauen in eine Buchdatenbank gezahlt werden, oder erst wenn die NutzerInnen sich größere Teile des Werkes kopieren? Der Weg zu einer differenzierten Abrechnung führt über eine genaue Kontrolle. Name, Adresse und Nutzungsdauer o. ä. müssen gespeichert werden. Die Gebührenfreiheit durch § 53 UrhG könnte nur über eine Erklärung zur Privatheit des Gebrauchs erlangt werden. Damit ließen sich sehr plastische Interessenprofile der NutzerInnen erstellen. Denkbar sind Verwertungsgesellschaften à la Gema, bei denen der Online-Anbieter und die Soft- und Hardwareproduzenten einzahlen und die UrheberInnen entschädigt werden. So könnte durch eine Entkoppelung von Urheberrecht und Schutzobjekt verhindert werden, daß Daten über die NutzerInnen erfaßt werden müssen. Die Suche im Netz per Werkvertrag Schon bei den Buchbibliotheken fragt man sich, ob die Buchmassen uns zu InformationsidiotInnen machen. Der verfassungsrechtlich vorgesehene Informationssee, das Biotop der Demokratie, kippt vor lauter Datenphosphaten. Das gilt ebenso für das Internet und nimmt seiner Idealisierung als anarchisches Kommunikationsnetz den Glanz. In dem Datendschungel ist die Suche oft unergiebig und zeitraubend. Immer mehr NutzerInnen nehmen die Dienste kleiner Computerprogramme in Anspruch, die hochwertige und strukturierte Informationen gegen eine Gebühr zugänglich machen. Die Programme suchen die Nachrichten aus, die den persönlichen Interessen entsprechen oder senden gar eine individuell zusammengestellte "Daily me"- Bildschirmzeitung zum Frühstück zu. Überraschende Leseerlebnisse kann man so sicher vermeiden. Rechtlich liegt insoweit eine Miete des Datenbanksystems vor, in der eine erfolgsorientierte Suche aufgrund individueller Suchkriterien des Anwenders ausgelöst wird. Insoweit ist die Nutzung dem Werkvertrag verwandt. Das gilt selbst, wenn die Informationen auf dem eigenen Papier ausgedruckt werden. Allerdings entfällt die werkvertragstypische Abnahme bei intellektuellen Werken nach § 646 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Jedenfalls sollen die AnwenderInnen die entsprechenden Gebühren zahlen. Fazit Während die Buchpreise fallen, steigen die Kosten des multimedialen Informationsaustausches.
Eine Kommerzialisierung des Online-Datenverkehrs dämmert. In der allgemeinen
Kapitalisierungslust könnte sich mit einem in Planung befindlichen Chip
mit Zahlungsfunktion auch für Buchbibliotheken diese Entwicklung anbahnen. Judith Dick ist Rechtsreferendarin in Brandenburg Literatur: KG Beschluß v. 17.5.1995, Az.: Kart 14 / 94; BGH 46, 74.
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