Heft 2 / 2001:
Recht Macht Geschlecht
Notwendigkeit und Perspektiven feministischer Rechtspolitik
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Kommt die zukünftige Jura-Elite aus Hamburg?
Kritik zur ersten privaten Rechtshochschule Deutschlands
 

"Wir haben in abenteuerlichen Reformen unser Hochschulwesen statt auf Elite und Wettbewerb auf breiteste Masse umgestellt und den Wettbewerb als unmoralisch denunziert."

Dieses Zitat von Gerd Bucerius, dem Gründer der ZEIT-Stiftung, findet sich auf der Internetseite der Bucerius Law School Hamburg (BLS) an mehreren Stellen. Gegen den beschriebenen Zustand will diese erste und bislang einzige private Rechtshochschule Deutschlands dringend etwas unternehmen. Zur Verwirklichung dieses Zieles hat sie im Oktober 2000 ihren Betrieb aufgenommen.
Aber vor den Einzelheiten zunächst einmal eine förmliche Vorstellung: Das Studium an der Bucerius Law School dauert zehn Trimester. Ein Trimester wird an einer ausländischen Partneruniversität studiert. Außerdem wird ein sogenanntes Studium generale angeboten. Jedes Trimester kostet dabei 2.650 € Studiengebühren.
Gelehrt und gelernt wird ganz herkömmlich in Vorlesungen und begleitenden Kleingruppenveranstaltungen, in den ersten Trimestern mit etwa gleichen Stundenanteilen. Jede Lehrveranstaltung wird mit einer Prüfung abgeschlossen. Aus den Ergebnissen dieser Prüfungen errechnet sich die Note des akademischen Grades Bachelor of Law (LL.B.), den die Law School verleiht. Ansonsten gibt es natürlich die Möglichkeit, nach 3 1/2 Jahren das erste Staatsexamen beim Landesjustizprüfungsamt abzulegen.
Im Vollbetrieb wird die Bucerius Law School etwa 400 Studierenden Platz bieten. Pro Jahr werden 100 StudienanfängerInnen das Studium beginnen.
"Bei der Auswahl zählt nur eines: die bestmögliche Eignung für das Studium der Rechtswissenschaft." Ein umfangreiches Auswahlverfahren soll sicherstellen, dass nur "besonders begabte und leistungswillige" BewerberInnen einen Studienplatz erhalten. Dies geschieht mithilfe eines Tests (Belastung für die Portokasse: 250 DM) und einer Begutachtung durch Menschen aus Wirtschaft und Wissenschaft. Grundvoraussetzungen sind "nur" das Abitur und hervorragende Englischkenntnisse.

Wo geht das Geld hin...?

Die BLS selbst rechnet mit einem Jahresetat von ca. 12 Mio. DM, sobald die Schule voll ausgebaut ist. Dabei werden die Kosten von der Zeit-Stiftung, SponsorInnen und durch Studiengebühren jeweils zu einem Drittel getragen, wobei die Zeit-Stiftung nach eigenen Angaben im Notfall auch allein tragungsfähig ist.
Die hohen Kosten kommen durch die besonderen Ansprüche zustande. Da sind zum einen besondere Ausgaben für die Lehrstühle, da das Lehrpersonal durch finanzielle Anreize von den staatlichen Universitäten abgeworben werden muss (so geschehen bei Prof. Dr. K. Schmidt, Bonn, oder Prof. Dr. H. Kötz, Hamburg). Auch soll die Bibliothek den BLS-Studierenden 24 Stunden offen stehen. Zudem ist man in technischer Hinsicht ehrgeizig: So soll ein eigenes Funknetz den gesamten Campus abdecken. Dann könnte man sogar - selbst wenn man die Vorlesungspause zu einem Picknick im Freien nutzt - mit Handy und Laptop noch die neuesten technischen Errungenschaften wie das Internet nutzen, um ständig am Ball zu bleiben. Die zukünftige Elite wird sich gleich daran gewöhnen, dass überall und zu jeder Zeit gearbeitet werden muss. Dass dabei die soziale Kompetenz auf der Strecke bleiben könnte, wird anscheinend nicht bedacht.

... und wo kommt es her?

Die Studierenden müssen im Jahr allein an Studiengebühren umgerechnet ca. 15.000 DM aufbringen. Nicht zu vernachlässigen sind auch die zusätzlichen Ausgaben, die für die Studierenden bestehen. Nach Angaben des Studentenwerks in Hamburg betragen die einfachen Lebenshaltungskosten für eineN StudierendeN ca. 1.400 DM pro Monat.
Zusätzlich entstehen auch studieninterne Nebenkosten. Als Beispiel soll hier nur das anzuschaffende Laptop dienen: Die diversen Presseberichte in Hamburg - des Lobes natürlich voll - erweckten den Eindruck, dass die Studierenden zu Beginn ihres Studiums ein Laptop von der BLS geschenkt bekamen. Dies entspricht allerdings nicht der Realität. Die Geräte waren keine selbstlose Gabe von der BLS, sondern mussten von den Studierenden selbst angeschafft werden. Dass dies aufgrund von SponsorInnengeldern günstiger war, erscheint da als schwacher Trost. Aber wahrscheinlich erschien den Studierenden der Preis angesichts der Studiengebühren auch geradezu lächerlich, was sicherlich marketingstrategisch als sehr sinnvoll zu bewerten ist!
Jedenfalls ist die Law School ein ziemlich teurer Spaß. Für diejenigen, die von zuhause aus nicht so gut ausgestattet sind, bietet die BLS drei Möglichkeiten der Finanzierungsbeihilfe an:
Zum einen bekommen die Studierenden die Möglichkeit, zinsgünstige Darlehen der Hamburger Sparkasse - eine Sponsorin der Law School - in Anspruch zu nehmen. Wer das nicht mag, kann auf ein sehr interessantes und schön betiteltes Finanzierungsmodell zurückgreifen: den umgekehrten Generationenvertrag. Aus diesem können sich die Studierenden während ihres Studiums bedienen, um danach - sofern sie berufstätig werden - ihrem Einkommen gemäß in diesen Topf wieder einzahlen zu müssen. Dazu können sich alle BAFöG-EmpfängerInnen (Höchstsatz 1.140 DM) freuen, dass ihnen ein Stipendium in Höhe der Hälfte der Studiengebühren gewährt wird. Soweit die Theorie. Die Realität sieht allerdings vollkommen anders aus. Ein Großteil der Studierenden greift auf keines der erwähnten Finanzierungsmodelle zurück. Stipendien sind im ersten "Durchgang" niemandem gewährt worden, und nur etwa ein Drittel der Studierenden nimmt den umgekehrten Generationenvertrag oder ein zinsgünstiges Darlehen in Anspruch.
Die Beteuerung der BLS, auf das Geld käme es nicht an, es gäbe ausreichend Finanzierungsmodelle für finanziell schlechter gestellte Interessierte, vermag nicht zu überzeugen. Zum einen wirkt die hohe Summe der Studiengebühren schon bei der Bewerbung abschreckend, da niemals mit Gewissheit davon ausgegangen werden kann, dass man tatsächlich in eine finanzierungswürdige Gruppe fällt. Zum anderen sind die oben dargestellten Finanzierungshilfen vollkommen unzureichend: Halbstipendien sind eben nur halbe Beihilfen, und zinsgünstige Darlehen sowie der umgekehrte Generationenvertrag verschieben lediglich den Zeitpunkt der Kostenbelastung. Und es ist unbestritten, dass ein Berufsanfang mit einer Schuldenlast von 50.000 DM oder mehr ein sehr schwieriger ist. Somit werden es in erster Linie die oberen Klassen sein, die ihre Zöglinge zur BLS schicken. Der proklamierte freie Zugang wird nur in wenigen Fällen tatsächlich verwirklicht. Durch die hohen Studiengebühren wird schon eine soziale Vorauswahl getroffen.

Probleme zwischen Universität und BLS

Wie schon am Anfang kurz angedeutet sieht sich die Law School auch als Teil einer Mission zur Behebung des im Eingangszitat diagnostizierten angeblichen Missstands. Sie betrachtet sich als Gegenentwurf zur trägen, wettbewerbsunfähigen und - am schlimmsten - Massenuniversität. Ziel ist dabei, dass sich dieser Gegenentwurf nicht nur in der Praxis bewährt und ansonsten friedlich neben den herkömmlichen Universitäten seinen wettbewerbsgeprägten Geschäften nachgeht. Im Gegenteil wird immer wieder beschworen, dass die staatlichen Universitäten durch den plötzlich auftauchenden Wettbewerbs- und Konkurrenzdruck anfangen würden, sich zu reformieren und dadurch ebenfalls zu verbessern. Dass diese "Verbesserungen" nicht im Hinblick auf das Ziel "Bildung für alle" gedacht sind, ist klar. Es ist aber ohnehin zweifelhaft, ob es überhaupt Auswirkungen irgendeiner Art geben wird, die als Verbesserungen angesehen werden könnten.
Voraussetzung dafür, dass sich die staatlichen Hochschulen überhaupt in einen Konkurrenzkampf begeben könnten, wäre eine wesentlich verbesserte finanzielle Ausstattung. Auf dem Mangel an Geld beruhen die Mängel der herkömmlichen Fakultäten: die Ausstattung mit Büchern und anderen - vielleicht sogar modernen multimedialen - Arbeitsmitteln bleibt zunehmend hinter dem aktuellen Stand zurück. Bibliotheksplätze sind knapp. Und die Einführung von besseren Betreuungsverhältnissen ist gerade wieder in der JustizministerInnenkonferenz gescheitert. (Das wäre allerdings ohnehin mit dem Abbau von Studienplätzen verbunden gewesen.)
Eher ist zu befürchten, dass der Staat sich weiter aus seiner Finanzierungsverantwortung zurückziehen wird, wenn sich mehr private Schulen etablieren. Der Traum, es würden mehr öffentliche Mittel an die Universitäten fließen, um die Konkurrenzfähigkeit zu wahren, bleibt eben nur ein Traum.
Dazu kommt, dass die Law School sogar noch öffentliches Geld kosten wird. Direkte Mittelzuweisungen wird es im Gegensatz zu anderen Privatunis zwar auf absehbare Zeit nicht geben. Aber es wäre auch falsch zu behaupten, dass die Bucerius Law School überhaupt keine staatlichen Mittel in Anspruch nimmt. Zwischen dem Fachschaftsrat des Uni-Fachbereichs und den VertreterInnen der Law School besteht schon von Beginn an der Streit, ob die Studierenden der privaten Hochschule die staatlichen Bibliotheken in Anspruch nehmen werden (müssen). Dies wird von der Law School natürlich bestritten. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass selbst in gut unterhaltenen Universitätsbibliotheken selbst wichtige Literatur oft kaum in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Die Prognose für die weitgehende Autarkie der Law School muss also fast zwingend negativ sein, zumal sie die Vielfältigkeit der Uni-Bibliotheken nicht gewährleisten kann.
In jedem Fall nehmen aber auch die Studierenden der Law School die staatliche Prüfungsinfrastruktur in Anspruch, denn auch sie wollen ihre Staatsexamina machen. Dies verursacht Kosten, die die Law School nicht ausgleicht. Dazu kommt dann das Referendariat. Dabei pfeift Hamburg, was Korrekturzeiten und Wartezeiten aufs Referendariat angeht, ohnehin auf dem letzten Loch.

Neue Lehren für die Lehre

Und wie sieht es mit den Innovationen in der Lehre aus, die sich aus der Konkurrenzsituation ergeben könnten? Der Uni-Fachbereich fährt zu diesem Thema eine Art Schlingerkurs. Auf der einen Seite wird die schlichte Möglichkeit des Entstehens einer Konkurrenzsituation kategorisch bestritten. Die Argumentation beruht dabei darauf, dass die Law School sich von Anfang an die besten Studierenden aussuchen könne, während die Universität eben alle ausbilden müsse, die eine Zugangsberechtigung bekommen. Außerdem könne sich die Law School bedeutend kleinere Gruppen leisten und habe durch Sponsoring viel bessere Ausstattungsmöglichkeiten.
Auf der anderen Seite wird von professoraler Seite langsam damit begonnen, Änderungsvorhaben mit der Konkurrenz zur Law School zu begründen. Es könnte nun der Eindruck entstehen, durch die pure Anwesenheit der Law School sei tatsächlich der staatliche Hochschul-Moloch in Bewegung geraten. Die in Hamburg angedachten Projekte haben aber sämtlich einen anderen Hintergrund. Die Einführung von Leistungspunktsystemen ist ohnehin in Mode und ebenso wie die Schaffung von zusätzlichen universitären Zwischenabschlüssen und die Wiederbelebung von Zwischenprüfungen im Hochschulrahmengesetz vorgesehen.
An wirklich grundsätzlichen Dingen hat auch die Law School nicht viel geändert und wird deshalb dazu auch keinen staatlichen Fachbereich veranlassen. An der Vorlesung als ungeeignetem Mittelpunkt des Ausbildungssystem hat im Grundsatz auch die Law School festgehalten.
Inhaltlich gibt sich die BLS ansonsten Mühe, dem Klischee der wirtschaftsnahen und wirtschaftsfixierten Privathochschule zu entsprechen. So bringt sie sich in die aktuelle Studienreformdiskussion in Hamburg damit ein, dass sie als erstes einen Wahlschwerpunkt "Wirtschaftsstrafrecht" fordert. Es wird eben Zeit, dass auch die armen Wirtschaftskriminellen mal ein paar engagierte AnwältInnen bekommen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...

Fazit

Die Law School ist leider da, und daran wird sich in absehbarer Zukunft nichts ändern. Es bleibt abzuwarten, in welchem Maße sie einen negativen Einfluss auf die staatliche Universität haben wird. Aber es gibt ja immerhin an der Uni noch Studierendenvertretungen und auch ein paar akademische Gremien - Mitbestimmungsmöglichkeiten, mit denen hoffentlich noch teilweise korrigierend eingegriffen werden kann.

Kawus Klapp und Jan Gehrken leben und studieren in Hamburg. Im Fachschaftsrat setzen sie sich dort von Anfang an mit dem Projekt Law School auseinander.

Die Bucerius Law School im Netz: www.law-school.de.