Heft 1 / 2002:
könnte besser sein
Sozialrecht
xxx

Hendrikje Schauer Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zur Rubrik Ausbildung Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Kotzen für die Staatsanwaltschaft
 

Die Logik der inneren Sicherheit forderte ein weiteres Todesopfer in Deutschland: das erste durch Verabreichen von Brechmitteln. Achidi G. starb am 19.12.2001 auf der Intensivstation des Hamburger Universitätskrankenhauses.

Der 19 -jährige Mann wehrte sich gegen die bevorstehende Verabreichung des Brechmittels Ipecacuanhasirup. Von der Ärztin angeforderte polizeiliche Verstärkung war notwendig, um ihm das Brechmittel gewaltsam per Nasensonde einzuführen. Aufgrund des Widerstandes wurde auf eine vorherige Untersuchung verzichtet. Nachdem der 19-jährige sich erbrochen hatte, brach er zusammen. Der Tod wurde zu einer "Verkettung unglücklicher Umstände" (Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei) verklärt. Der Einsatz des Brechmittels wurde allerdings nicht in Frage gestellt, am selben Tag wurde es noch einer weiteren Person verabreicht. Der Senat kündigte an, diese Praxis auch weiterhin beizubehalten.

Die Verabreichung von Brechmitteln wird bei mutmaßlichen Drogendealer/inne/n angewandt, um festzustellen, ob diese bei ihrer Verhaftung Drogen verschluckten. Betroffen von diesem Einsatz sind meist junge Schwarze, denen pauschal das Dealen mit Drogen zugeschrieben wird. In Hamburg wurde die Einführung von Brechmitteln im Juli 2001 noch vom rot-grünen Senat beschlossen; die Bedingungen für den Einsatz sind vom "Mitte-rechts" Senat gelockert worden. Politiker/innen profilieren sich als Garant/inn/en der öffentlichen Sicherheit, die die angeblich vor allem von Ausländer/innen bedrohte deutsche Gemeinschaft schützen. Diese halluzinierte Bedrohung rechtfertigt in den Augen der Öffentlichkeit die unglaubliche Härte im Umgang mit Drogendealer/inne/n, die deren Gesundheit oder sogar deren Leben aufs Spiel setzt.

Seit 10 Jahren werden in der BRD Brechmittel verabreicht; mittlerweile an über 1000 Personen. Die Rechtssprechung dazu ist nicht einheitlich. Das OLG Frankfurt entschied 1996, dass der Einsatz von Brechmitteln nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt sei und damit "gegen die Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde und gegen das allgemeine Persönlichkeitsrechts des Angeklagten" verstoße (Az.: 1 Ss 28/96). Gerichte in Bremen und Berlin konnten jedoch keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken erkennen. Eine Verfassungsbeschwerde wurde im September 1999 formal abgelehnt. In der Begründung wurde aber festgestellt, dass "im Hinblick auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit [...] verfassungsrechtlich relevante, insbesondere medizinische Fragen zu klären" sind.

Hendrikje Schauer, Hamburg.