Heft 1 / 2002:
könnte besser sein
Sozialrecht
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Die neue NATO-Strategie vor dem BVerfG
 

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) durfte die Bundesregierung die neue NATO-Strategie mitbeschließen, ohne vorher die Zustimmung des Bundestages einzuholen. Mit seinem Urteil vom 22. November 2001 wies das BVerfG den dagegen gerichteten Antrag der PDS-Bundestagsfraktion zurück. Die Bundesregierung habe nicht gegen die Art. 59 Abs. 2 S. 1 und 24 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) verstoßen.

Gemäß Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG bedürfen Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln, der Zustimmung des Bundestages. Das gleiche gilt für die vertragliche Änderung solcher Verträge. Fraglich ist nun, ob die NATO-Mitglieder durch die Verabschiedung der neuen NATO-Strategie den NATO-Vertrag geändert haben.

Nach Auffassung des BVerfG ist dies nicht der Fall. Die NATO-Mitglieder hätten nicht den Willen gehabt, den NATO-Vertrag zu ändern. Wenn nun ein Vertragsänderungswille fehle, müsse ein deutlicher Widerspruch zu dem bereits bestehenden Vertrag vorliegen, um das in Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG normierte Zustimmungserfordernis auszulösen. Ein solcher Widerspruch sei jedoch nicht gegeben. So stelle insbesondere das Konzept der Krisenreaktionseinsätze lediglich eine Fortentwicklung und keine Änderung des NATO-Vertrages dar.

Das Konzept der Krisenreaktionseinsätze ist die Antwort der NATO-Mitglieder auf den Balkankonflikt, der, so die 1999 in Washington beschlossene neue NATO-Strategie, die Sicherheitslage tiefgreifend verändert habe. Die Sicherheit des Bündnisses sei einem breiten Spektrum militärischer und nichtmilitärischer Risiken unterworfen. Dazu gehöre die mögliche Entstehung regionaler Krisen an der Peripherie des Bündnisses. Die NATO-Mitglieder müßten daher nach wie vor in der Lage sein, jede potentielle Aggression abzuschrecken. Darüberhinaus müßten sie, und das ist das entscheidende, bereit sein "einen Beitrag zur Konfliktverhütung zu leisten und nicht unter Art. 5 des NATO-Vertrages fallende Krisenreaktionsseinsätze durchzuführen".

In Art. 5 des NATO-Vertrages hatten die NATO-Mitglieder 1949 vereinbart, daß ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden und daß in einem solchen Fall jeder von ihnen in Ausübung seines in Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen anerkannten Selbstverteidigungsrechts Beistand leisten würde. Nunmehr haben sich die NATO-Mitglieder jedoch neue Aufgaben für ihr Bündnis ausgedacht, für die der NATO-Vertrag offensichtlich keine Grundlage mehr bereithält. Das Argument des BVerfG, daß in dieser Hinsicht eine Pflicht zur kollektiven Reaktion gerade nicht bestehe, wirkt demgegenüber eher schwach.

Constanze Oehlrich, Berlin.

Quellen:

www.bverfg.de/entscheidungen/frames/es20011122_2bve000699 (BVerfG-Urteil)
www.nato.int/docu/other/de/treaty-de.htm (NATO-Vertrag)
www.nato.int/docu/pr/1999/p99-065d.htm (neue NATO-Strategie)