Heft 2 / 2001:
Recht Macht Geschlecht
Notwendigkeit und Perspektiven feministischer Rechtspolitik
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Strafe für ein langes Leben und Kinder?
Zu den Auswirkungen der Rentenreform auf die Altersversorgung von Frauen
 

Vergleicht man die finanzielle Situation von Rentnerinnen und Rentnern, so sind die Frauen deutlich im Nachteil. Die eigenständige (d.h. von den Ehemännern unabhängige) Altersrente von Frauen in Westdeutschland ist im Durchschnitt um 50% niedriger als die von Männern. In Ostdeutschland ist der Unterschied zwar geringer, aber auch deutlich vorhanden. Als Konsequenz sind Frauen sehr viel öfter Opfer von Altersarmut als Männer. Das jetzige Rentensystem basiert auf Grundkonzepten, die Frauen systematisch benachteiligen und bedarf deshalb dringend einer Reform. Dieser Artikel beschreibt die Grundforderungen, die an eine solche Reform zu stellen sind und überprüft, inwieweit die von der Bundesregierung geplante Rentenreform diesen genügt. Ausgangspunkt ist der Reformvorschlag mit Stand vom 14. November 2000. 1 Die Diskussion beschränkt sich auf die frauenspezifischen Nachteile, außerdem werden nur die Altersrenten einschließlich der Hinterbliebenenrenten erörtert. Außen vor bleiben hingegen die betriebliche Altervorsorge und die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Warum sind die Renten von Frauen niedriger?

Die niedrigeren Altersrenten von Frauen erklären sich aus den Grundlagen unseres Rentensystems. Die Höhe der Rente ist stark abhängig von der Dauer der Erwerbsarbeit und der Höhe des Erwerbseinkommens (siehe Kasten). Frauen werden durch beide Faktoren benachteiligt. Zum einen haben sie mehr (kindererziehungsbedingte) Lücken in ihrer Versicherungsbiographie und dadurch im Durchschnitt 15 Versicherungsjahre weniger als Männer. Daneben verdienen Frauen auch immer noch wesentlich weniger als Männer: ihre Löhne sind zum einen absolut geringer als die von Männern, zum anderen verringert sich ihr Einkommen oft noch zusätzlich durch erziehungsbedingte Teilzeitbeschäftigung. So haben westdeutsche Frauen, die in den letzten Jahren in Rente gingen, im Durchschnitt nur 0,7 Entgeltpunkte (siehe Kasten) pro Jahr erworben, ostdeutsche Frauen 0,8. Demgegenüber erlangten Männer in ganz Deutschland im Schnitt mehr als 1,1 Entgeltpunkt pro Jahr. 2 Die finanzielle Situation einer Rentnerin korreliert stark mit der Anzahl der Kinder, die sie aufgezogen hat. Je mehr Kinder eine Frau hat, desto schlechter ist im Durchschnitt ihre Altersversorgung. Dieses Ergebnis mutet seltsam an, basiert unser Rentensystem doch auf einem "Generationenvertrag": die Renten der jetzigen Rentner/innen finanzieren sich nicht etwa aus den von diesen gezahlten Beiträgen, sondern aus den Beiträgen der heute Erwerbstätigen. Das Rentensystem kann also nur funktionieren, wenn genug jüngere Leute vorhanden sind, die über ihre Beiträge die heutigen Renten finanzieren. Es ist also abhängig davon, dass Kinder geboren und erzogen werden. Werden innerhalb dieses Systems Leute mit Kindern durch geringere Renten benachteiligt, gerät das ganze Konzept in Gefahr. Aus dieser Einsicht heraus hat auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 3 gefordert, Kinderkriegen und -erziehung als eigene rentenrechtliche Leistungen zu bewerten. Seit der Rentenreform von 1992 werden deshalb für jedes nach dem 31. Dezember 1991 geborene Kind für ein Elternteil drei Jahre (vorher 1 Jahr) Kindererziehungszeit als Beitragszeit mit 0,75 Entgeltpunkten pro Jahr, seit 1. Juli 1998 mit 1 Entgeltpunkt pro Jahr angerechnet. Auch diese Höherbewertung von Erziehungsarbeit ist jedoch nicht ausreichend, um die rentenrechtlichen Nachteile durch Zeiten, in denen ein Elternteil - und das ist immer noch meistens die Frau - wegen der Kinder nicht oder nur Teilzeit arbeitet, vollständig auszugleichen. Die finanzielle Situation von Frauen ist allerdings jedenfalls dann oft besser als die genannten Zahlen vermuten lassen, wenn sie verheiratet sind: solange ihr Mann lebt, trägt dessen Lohn und später Rente zum Familieneinkommen bei. Stirbt der Mann und hat seine Ehefrau ein Kind erzogen oder ist sie mindestens 45 Jahre alt oder erwerbsgemindert, so erhält sie 60% der Versichertenrente des Verstorbenen, solange sie nicht wieder heiratet (umgekehrt erhält natürlich auch der Mann unter den gleichen Voraussetzungen eine Hinterbliebenenrente). Auf die Hinterbliebenenrente wird eigenes Einkommen der Hinterbliebenen angerechnet, soweit es einen Freibetrag (ca. 1280,- DM) übersteigt, der Freibetrag erhöht sich pro Kind um ca. 270,- DM. Dieses System der Hinterbliebenenrente führt in den Fällen, in denen der Mann erheblich mehr verdient und damit wesentlich mehr Rentenanwartschaften erworben hat als seine Frau zu krassen Ungleichbehandlungen: solange Frau und Mann leben, finanziert die Rente des Mannes beide. Stirbt die Frau, so behält der Mann seine volle Rente, hat also doppelt soviel Geld pro Kopf wie vorher. Stirbt hingegen der Mann, so erhält die Frau 60% seiner Rente, hat also nur wenig mehr Geld pro Kopf als zu Lebzeiten ihres Mannes. Dies macht deutlich, dass die innerfamiliäre Rollenverteilung für die Alterssicherung eben nicht gleichwertig ist.

Was muss sich ändern?

Um eine bessere Altersabsicherung von Frauen zu erreichen, müssen die dargestellten Ursachen der Benachteiligung bekämpft werden. Zunächst wird deshalb gefordert, Kindererziehungszeiten bei der Rentenberechnung stärker zu berücksichtigen. Diese Forderung findet Unterstützung auch in eher konservativen Kreisen, was wohl daran liegt, dass das jetzige System nur finanzierbar ist, wenn genügend Kinder geboren werden - Kinderkriegen muss also hinreichend attraktiv bleiben. Eine verstärkte rentenrechtliche Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten birgt jedoch die Gefahr, traditionelle Muster der familieninternen Arbeitsteilung zu unterstützen, indem sie die klassische Rolle der nicht erwerbstätigen Mutter fördert. Dennoch wäre es falsch, mit dieser Begründung eine stärkere Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten abzulehnen. Die Rentenversicherung ist kaum das richtige Mittel, eine gleichberechtigtere innerfamiliäre Arbeitsteilung durchzusetzen. Primäres Ziel muss die Absicherung im Alter sein, unabhängig von der familiären Rollenaufteilung. Eine stärkere Beteiligung der Väter an der Kindererziehung muss hingegen mit anderen Mitteln erkämpft werden als mit dem Rentenrecht. Dabei darf die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten allerdings keinesfalls zu einer Benachteiligung von Familien führen, die eine andere Arbeitsteilung als die Einverdienerehe wählen. So müssen Kindererziehungszeiten auch dann berücksichtigt werden, wenn beide Eltern durchgängig voll oder Teilzeit erwerbstätig sind. 4 Ist eine derartige Neutralität gewährleistet, birgt die rentenrechtliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten nicht die Gefahr, traditionelle Rollenverteilungen zu zementieren.
Zweites Ziel einer Rentenreform wäre eine umfassende eigenständige Alterssicherung von Frauen. Die große Rolle, die Hinterbliebenenrenten für die Versorgung von Rentnerinnen spielen, entspricht nicht dem modernen Verständnis von Ehe und Partnerschaft. Das System der Hinterbliebenenrenten führt zur Abhängigkeit der Alterssicherung der Frau von ihrer Ehe und zu den oben beschriebenen Ungleichheiten.

Motive der rot-grünen Rentenreform

Vor einer Diskussion des Reformvorschlags ist zunächst festzustellen, dass die Verbesserung der Alterssicherung von Frauen zwar als ein Ziel der Reform genannt wird, keineswegs jedoch ihre Hauptmotivation ist. Hintergrund der Rentenreform ist vielmehr die anhaltende Zunahme der Zahl alter Menschen im Vergleich zu den Erwerbstätigen. Aufgrund der rückläufigen Geburtenzahlen und der steigenden Lebenserwartung kommen immer mehr Personen im Rentenalter auf 100 Personen im Erwerbsalter (heute 40, Prognose für 2030 ist 70). Da unser Rentensystem die heute ausgezahlten Renten aus den heute eingezahlten Rentenversicherungsbeiträgen der Erwerbstätigen finanziert, würde bei gleichbleibendem Rentenrecht entweder der Beitragsatz zur Rentenversicherung erheblich steigen (von heute 19,5 % des Bruttolohns auf 24 - 26 % in 2030) oder aber - bei konstantem Beitragssatz - das Rentenniveau von heute 70,7 % des Nettoarbeitsentgelts auf ca. 54 % in 2030 sinken. 5 Hauptziel der Rentenreform ist es, einen zu starken Anstieg des Beitragssatzes zu verhindern. Hierzu soll das Rentenniveau schrittweise abgesenkt werden. Um eine angemessene Alterssicherung zu erhalten, soll gleichzeitig die freiwillige private Altersvorsorge staatlich subventioniert werden. Vor diesem Hintergrund der allgemeinen Kürzung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung müssen auch die frauenspezifischen Auswirkungen der Reform betrachtet werden. Die Berücksichtigung von 3 Jahren Erziehungszeit pro Kind bleibt unverändert erhalten.
Neu eingeführt wird daneben eine kindbezogene Höherbewertung von Beitragszeiten bei der Rentenberechnung. Das heißt, dass das Erwerbsentgelt einer/s Erziehenden, die/der in den ersten 10 Lebensjahren des Kindes wegen erziehungsbedingter Teilzeitarbeit unterdurchschnittlich verdient, für die Rentenberechnung um 50%, maximal allerdings bis zur vollen Höhe des Durchschnitteinkommens, erhöht wird. Wer wegen Kindern nur Teilzeit arbeitet und dabei 1/2 des Durchschnittslohnes verdient, wird für die Rentenberechnung so behandelt, als habe sie/er 3/4 des Durchschnittlohnes verdient. Mit dieser Regelung werden nicht nur die Kindererziehungszeiten stärker berücksichtigt, sondern auch die niedrigeren Entgelte von Erziehenden aufgewertet. Allerdings greift die Erhöhung nur dann, wenn die/der Erziehende insgesamt 25 Versicherungsjahre vorweisen kann. Hiermit soll ein Anreiz geschaffen werden, kindererziehungsbedingte Lücken in der Versicherungsbiographie möglichst kurz zu halten und möglichst bald wieder zumindest einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen.

Mehr Rente für Kindererziehungszeiten

Allerdings schließt die Begünstigung Frauen aus, die überdurchschnittlich verdienen (da die erziehungsbedingte Einkommenserhöhung auf die Höhe des Durchschnittslohnes begrenzt ist) oder Vollzeit arbeiten. Folglich wird die Höherbewertung von Kindererziehungszeiten als versteckte Subventionierung und damit als Rechtfertigung niedrigerer Frauenlöhne kritisiert. Außerdem wird so das familienpolitische Leitbild einer Mutter in Teilzeitbeschäftigung und damit erneut zementiert, dass Kindererziehung im wesentlichen Frauensache ist. 6 Zwar gilt auch hier, dass das Rentenrecht wohl nicht der richtige Ort ist, um eine Änderung der innerfamiliären Arbeitsteilung herbeizuführen. Dennoch beeinflusst die Beschränkung der Höherbewertung auf Erziehende mit unterdurchschnittlichen Einkommen die freie Wahl der Arbeitsteilung: da es meist die Frauen sind, die weniger verdienen als ihre Ehemänner, bietet eine Arbeitsteilung, bei der die Frau wegen der Kinder ihre Erwerbsarbeit reduziert oder aufgibt, oft bessere Möglichkeiten, von der staatlichen Förderung zu profitieren, als wenn ihr überdurchschnittlich verdienender Ehemann die Erziehungsarbeit übernähme. Folglich kann hier von einer arbeitsteilungsneutralen Regelung nicht mehr die Rede sein.
Die Hinterbliebenenrente wird neu für jedes von der/dem Hinterbliebenen erzogene Kind um einen Entgeltpunkt aufgestockt. Die Erhöhung des Freibetrags für die Anrechnung eigenen Einkommens der/des Hinterbliebenen pro Kind bleibt erhalten. Dieser "Kinderbonus" wird allerdings dadurch relativiert, dass die Hinterbliebenenrenten insgesamt von 60% der Rente des Verstorbenen auf 55% gekürzt. Gleichzeitig wird der Freibetrag für eigenes Einkommen nicht mehr dynamisiert (mit Ausnahme des kindbezogenen Freibetrages, der dynamisiert bleibt). Allmählich wird also ein immer größerer Teil des eigenen Einkommens angerechnet, verliert die Hinterbliebenenrente also immer mehr und mehr an Bedeutung. Im Endeffekt wird die Hinterbliebenenrente deshalb trotz "Kinderbonus" oft sogar geringer sein als nach altem Recht.
Letztlich führt die Neuregelung zu einer Bevorzugung von Frauen mit Kindern. Daran ist prinzipiell nichts auszusetzen, faktisch findet hier aber eine Umverteilung von Frauen ohne Kinder auf Frauen mit Kindern statt - nicht miteinbezogen in diese Umverteilung werden hingegen die (nicht erziehenden) Männer. Auch Frauen ohne Kinder haben aber im Durchschnitt eine schlechtere Altersversorgung als Männer, so dass eine solche Umverteilung allein innerhalb der Gruppe der Frauen die Ungleichbehandlung von Frauen im Rentensystem nicht ausgleicht.
Es zeigt sich, dass die Elemente der Reform, die zu einer Höherbewertung von Kindererziehungszeiten führen, zwar ein Schritt auf dem richtigen Weg zu einer besseren Alterssicherung von Frauen sind, jedoch in dem vorgesehenen Umfang keineswegs ausreichen. Insbesondere bei den Hinterbliebenenrenten bleibt dies wegen der allgemeinen Kürzung der Rentenhöhe und der Tatsache, dass die Umverteilung im wesentlichen innerhalb der Gruppe der Frauen stattfindet, sehr fraglich.

Rentensplitting statt Hinterbliebenenrente?

Da die Hinterbliebenenrente nur eine vom Ehemann abgeleitete Rente ist, erfüllt sie nicht die Forderung nach einem eigenständigen Rentenanspruch von Frauen. Ein erster Schritt in Richtung eines solchen unabhängigen Anspruchs ist die künftige Wahlmöglichkeit der Eheleute zwischen dem herkömmlichen Modell der Altersversorgung (wonach zu Lebzeiten beider Ehegatten jede/r ihre/seine eigene Versichertenrente erhält und beim Tod der/des Ehepartners/in dazu die Hinterbliebenenrente kommt) und einem Rentensplitting. Das Rentensplitting ähnelt in seiner Wirkung dem Versorgungsausgleich bei einer Ehescheidung, findet aber bei noch bestehender Ehe statt. Hierbei wird die Summe der von beiden Ehegatten während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften gleichmäßig auf beide verteilt. Jede/r erwirbt also einen eigenständigen Rentenanspruch in Höhe der Hälfte der gemeinsam erworbenen Anwartschaften. Da es sich um eigene Rentenansprüche handelt, fallen sie auch bei Wiederheirat nach dem Tod des/der anderen nicht weg. Auch wird eigenes Einkommen nicht angerechnet. Das Rentensplitting entspricht einem Verständnis von Ehe und Partnerschaft, demzufolge die von beiden in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften als gemeinschaftliche Leistung betrachtet werden, die deshalb auch beiden zu gleichen Teilen zustehen - unabhängig davon, wie die innerfamiliäre Rollenverteilung hinsichtlich Erwerbs- und Kindererziehungsarbeit aussieht. Der Haken an der Neuregelung ist jedoch, dass das Rentensplitting lediglich auf freiwilliger Basis eingeführt werden soll. Nur wenn die Ehegatten sich übereinstimmend für ein Rentensplitting aussprechen, findet es Anwendung. Wird eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben, bleibt es beim alten Modell.

Frauen als Privatisierungsverliererinnen

Ein wichtiges Element der geplanten Rentenreform ist die staatliche Förderung einer zusätzlichen privaten Altersvorsorge. Das Rentenniveau soll von heute 70,7% des Erwerbseinkommens schrittweise auf ca. 67% im Jahre 2030 gesenkt werden. Um die hierdurch entstehenden finanziellen Einbußen auszugleichen, sollen die Bürger/innen durch staatliche Subventionen veranlasst werden, verstärkt in eine zusätzliche private Altersvorsorge zu investieren. Ausgaben für bestimmte Anlageformen zum Zweck der Altersvorsorge sollen deshalb in Höhe von zunächst 1% des Einkommens in 2002, dann schrittweise bis auf 4% in 2008 steigend, als Sonderausgabe von der Einkommenssteuer abgezogen werden können. Damit auch Leute mit geringem oder ohne Einkommen in den Genuss staatlicher Förderung kommen, kann alternativ ein staatlicher Zuschuss für Beiträge zur privaten Altersvorsorge in Anspruch genommen werden.
Auf die generelle Kritik am verstärkten Abstellen auf die private Altersvorsorge, dieses System diene stark den Interessen der Anbieter derartiger Zusatzvorsorge - den Banken, Fonds und Versicherungen - und bürde außerdem die Last für diesen Teil der Altersvorsorge allein dem/der Arbeitnehmer/in auf, da anders als bei der gesetzlichen Rentenversicherung die Beiträge nicht zur Hälfte von den Arbeitgeber/innen, sondern komplett von den Arbeitnehmer/innen getragen werden, sei hier nur hingewiesen. 7 Daneben wirkt sich ein Rückzug der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten der privaten Vorsorge aber besonders nachteilig für Frauen aus. Zunächst begünstigt das System die Besserverdienenden. Je mehr jemand verdient, desto mehr kann sie/er als Sonderausgabe von der Steuer abziehen. Damit fördert der Staat diejenigen überproportional, die wegen ihrer höheren Einkommen an sich weniger auf staatliche Unterstützung angewiesen sind - was wegen des generell geringeren Einkommens von Frauen auch wieder zu einer faktischen Ungleichbehandlung der Geschlechter führt. Ein weiterer Nachteil für Frauen ergibt sich daraus, dass die private Vorsorge keinerlei Solidarausgleich erhält. Die im Alter ausbezahlten Leistungen richten sich allein nach den vorher eingezahlten Beiträgen und der zu erwartenden Lebensdauer, eine Umverteilung findet nicht statt. Da Frauen eine höhere Lebenserwartung als Männer haben, bedeutet dies, dass sie in der privaten Vorsorge entweder höhere Beiträge zahlen müssen oder aber niedrigere Renten erhalten. Daneben wirken sich auch hier die geringeren Löhne von Frauen und die größeren Lücken in der Versicherungsbiographie nachteilig aus, da hierdurch weniger Beiträge für die Privatvorsorge gezahlt werden und so die Rente später auch niedriger ausfällt.

Fazit

Problematisch an der rot-grünen Rentenreform ist vor allem, dass sie insgesamt zu Kürzungen der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung führt und eine Verlagerung auf die private Altersvorsorge herbeiführen will. Dies ist aus sozialpolitischen Erwägungen generell kritikwürdig, betrifft aber darüber hinaus Frauen besonders nachteilig, da diese in der Regel sowieso schon niedrigere Renten als Männer erhalten und somit stärker unter den Kürzungen zu leiden haben. Gleichzeitig werden Frauen weniger stark von der staatlichen Förderung der privaten Altersvorsorge profitieren. Daneben wird der aktuelle Vorschlag aber auch den grundlegenden Forderungen, die an eine Rentenreform aus Frauensicht zu stellen sind, nur unzureichend gerecht. Insbesondere wird versäumt, eine umfassende eigenständige Alterssicherung für Frauen einzuführen. Solange das Rentensplitting zwischen Ehegatten nur auf freiwilliger Basis vorgesehen ist, wird dieses Modell und das dahinterstehende Verständnis der Ehe als gleichberechtigter Partnerschaft unabhängig von der individuellen Arbeitsteilung kaum zum neuen Leitbild werden können. Konsequenterweise ist daher auch die Einführung des Rentensplitting als Regelfall - also unabhängig von einer entsprechenden Erklärung der Eheleute - eine Hauptforderung des alternativen Rentenreformvorschlags des Deutschen Juristinnenbundes. 8

Karin Bieback ist Referendarin und lebt in Hamburg.

Berechnung der Altersrente

Die Höhe der monatlichen Rente richtet sich nach der Dauer der Versicherungszeit und der Höhe des versicherten Einkommens. Um der Veränderung der Kaufkraft des Geldes Rechnung zu tragen, werden die von den Versicherten erworbenen Rentenanwartschaften nicht in absoluten Beträgen berechnet, sondern in Entgeltpunkten. Dabei erhält ein/e Versicherte/r, die/der ein Kalenderjahr lang soviel verdient hat wie das Durchschnittseinkommen, für dieses Jahr einen Entgeltpunkt. Wer ein Jahr lang 1/2 des Durchschnittseinkommens verdient, erhält für dieses Jahr dementsprechend 1/2 Entgeltpunkt. Hat sie/er im nächsten Jahr das 11/2 -fache des Durchschnitteinkommens verdient, erhält sie/er für dieses Jahr 11/2 Entgeltpunkte. Bei Eintritt in das Rentenalter werden die so erworbenen Entgeltpunkte zusammengezählt und mit dem aktuellen Rentenwert (der jedes Jahr neu festgesetzt wird und wieder an die Entwicklung der Nettolöhne angepasst werden soll) multipliziert. Seit dem 1. Juli 2000 beträgt ein Entgeltpunkt monatlich 48,58 DM in den alten Bundesländern und 42,26 DM in den neuen Bundesländern.

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Anmerkungen

1 BTDrucks. 14/4595.
2 Zu diesen Zahlen: Klammer FR v. 02.08.2000, 9.
3 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 87, 1, 39.
4 So auch BVerfGE 94, 241.
5 Zahlen aus: Ruland FR vom 18.10.2000, 18, und aus: BTDrucks. 14/4595.
6 Fuchsloch ZfSozref 2000, 700 ff.
7 Ruland FR v. 18.10.2000, 18, und die Dokumentation in der FR v. 9.10.2000, 10.
8 Zu diesem Alternativvorschlag ausführlich: Rust ZfSozref 2000, 674 ff., sowie die anderen Beiträge in den ZfSozref-Heften 8 und 9/2000.

Literatur:

Bundesministerium für Arbeit im Internet unter >www.bma.de/de/neurente/index.asp<.
Fuchsloch, Christine, Moderne Anforderungen an eine Alterssicherung und das Rentenreformmodell der Bundesregierung, in: Zeitschrift für Sozialreform (ZfSozref) 2000, 700 ff.
Gesetzentwurf von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestags-Drucksache (BTDrucks.) 14/4595 v. 14.11.2000.
Kerschbaumer, Judith / Veil, Mechthild, Ein paternalistischer Flickenteppich für die Frauen, in: Frankfurter Rundschau (FR) v. 25.10.2000, 8.
Klammer, Ute, Wenn ein langes Leben zum finanziellen Risiko wird, in: Frankfurter Rundschau (FR) v. 02.08.2000, 7.
Ruland, Franz, Wer die Systeme tauscht, tauscht nur die jeweiligen Risiken, in: Frankfurter Rundschau (FR) v. 18.10.2000, 18.
Rust, Ursula, Rentenmodell des DJB für eine geschlechtergerechte Rentenreform, in: Zeitschrift für Sozialreform (ZfSozref) 2000, 674 ff.